Südländer klagen gegen Finanzausgleich

■ Bayern und Baden-Württemberg wollen Steuern nicht abgeben

Neu-Ulm/Berlin (taz) – An der bayerisch-schwäbischen Grenze beschlossen die Regierungen der Südländer gestern, die bestehenden Grenzen des Länderfinanzausgleichs nicht mehr zu akzeptieren. Bei einer gemeinsamen Sitzung im Neu-Ulmer Kongreßzentrum Edwin-Scharff-Haus stimmten die Kabinette Stoiber (CSU) und Teufel (CDU) formell darüber ab, Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe einzulegen. Der vom Grundgesetz pauschal vorgechriebene „angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft“ der Länder sei „überzogen“. Statt wie bisher 80 Prozent ihrer Steuereinnahmen in den Solidaritätsfonds wollen Bayern und Baden-Württemberg nur noch 50 Prozent einzahlen.

Die Klageschriften, die getrennt beim Verfassungsgericht eingereicht werden sollen, sind noch nicht einmal formuliert, da brach bereits eine beispiellose Welle der Kritik über die Kläger herein. Der Landtag des notorischen Ausgleichsempfängers Saarland warf Stoiber und Teufel parteiübergreifend „unsolidarisches Verhalten“ vor. Die Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, Simonis (SPD), und Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen (CDU) sagten wie andere Landesregierungen der Klage in Karlsruhe wenig Chancen voraus. Der jetzige Finanzausgleich war 1995 geändert worden und gilt bis 2004 – dann laufen die noch geltenden Sonderregelungen des Fonds Deutsche Einheit aus. Diepgen verlangte, dieses System nur auf dem Verhandlungswege zu ändern. Ähnlich hatte sich der neue Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Clement (SPD), geäußert. Hessen will sich der Klage der unionsgeführten Länder anschließen.

Die Länder haben 1997 im Zuge des föderalen Austarierens der Steuereinnahmen 11,9 Milliarden Mark umverteilt. NRW, die Südländer und Hessen sowie Schleswig-Holstein und Hamburg gehörten zu den „Geberländern“. Die Empfänger waren in der Hauptsache die fünf neuen Länder, Berlin, das Saarland und Bremen. Das Verfassungsgericht hat sich mehrfach mit den Finanzströmen zwischen Bund und Ländern befaßt. Im Grundsatz könne demnach „ein Verstoß gegen das bundesstaatliche Prinzip in Betracht kommen, wenn der (...) Ausgleich die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder entscheidend schwächt“. Dies behaupten die Geberländer.

Das derzeitige System verstößt nach Ansicht der Länder gegen den „angemessenen Ausgleich“, den das Grundgesetz vorschreibt. Der Finanzausgleich sei „absolut leistungsfeindlich und nicht mehr nachvollziehbar“. Er solle mit der Klage nicht abgeschafft, sondern gerechter gemacht worden, erklärten die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg. „Ein Ausstieg aus der Solidarität mit den schwächeren Ländern“ sei nicht beabsichtigt. Vielmehr wollten Stoiber und Teufel neben der Klage weiterhin auf eine politische Neuregelung des Ausgleichs drängen. Ihr Reformmodell, das in der Runde der Ministerpräsidenten mit zwölf Gegenstimmen abgelehnt worden war, sieht unter anderem vor, daß die Länder künftig mindestens die Hälfte ihrer erzielten Steuerzugewinne behalten dürfen. Eine Übergangsfrist von 50 Jahren soll die finanzschwachen Länder vor Einbrüchen schützen.

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