NRW-Richter revoltieren gegen Clements Reform

■ Die Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium in Düsseldorf stößt auf Proteste

Freiburg (taz) — So viel Widerstandsgeist ist man von der deutschen Justiz nicht gewohnt. Gegen die Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium durch die neue Landesregierung von Nordrhein-Westfalen protestierten gestern 23 GerichtspräsidentInnen — also die gesamte Spitze der Straf- und Ziviljustiz des Landes. In einem Brief an Ministerpräsident Wolfgang Clement drücken die Richter ihre Hoffnung aus, daß er sich ihren Sorgen „nicht verschließen“ werde.

Justiz- und Innenressort wurden Anfang des Monats im Rahmen einer Kabinettsreform zusammengelegt. Für das neue Superministerium ist nun der frühere Justizminister Fritz Behrens zuständig. Die protestierenden RichterInnen sorgen sich, daß in dieser Konstellation die „wechselseitige Kontrolle der Gewalten“ nicht mehr gewährleistet sei.

Ohne daß die JuristInnen im einzelnen darauf eingehen, liegen die Gefahren auf der Hand: Wenn gegen gewalttätige PolizistInnen ermittelt wird, dann ist deren Dienstherr künftig auch weisungsbefugt gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft. Daß dies nach außen keinen guten Eindruck macht, sehen die GerichtspräsidentInnen wohl ebenfalls. Befürchtet wird vermutlich auch, daß unbotmäßige Richter bei der Beförderung Nachteile erleiden könnten, wenn hierfür künftig der „Polizeiminister“ zuständig ist.

Die GerichtspräsidentInnen äußerten sich zwar nicht allzu konkret, aber doch entschieden im Ton. So wird an die „beschämende Abhängigkeit der Rechtsprechung von politischer Opportunität“ im NS-Staat und in der DDR erinnert. Erst vor kurzem sei sie schließlich zum Wohle des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern beseitigt worden.

Ministerpräsident Clement zeigte sich über die Reaktion der Justizvertreter „überrascht“. Es sei „völlig abwegig“, ernsthaft Parallelen zu dem Unrechtssystem im Dritten Reich zu ziehen. Gemeinsam mit dem neuen „Superminister“ Behrens lud Clement die Juristen zu einem Gespräch ein, das „noch im August stattfinden soll“. Christian Rath