Fest etabliert

■ Ein Jahr Kinderschutzzentrum Harburg

Die meisten Eltern aus Familien, in denen Gewalt die Umgangssprache ist, wollen ihr Kind zur Therapie abgeben und nicht sich selbst. Die Hauptaufgabe des Harburger „Kinderschutzzentrums“ ist in der Tat der Schutz von Kindern. Dazu gehört aber gerade die Unterstützung der Eltern, die „im Großteil aller Fälle total überlastet sind“, wie Einrichtungsleiter Ralf Slüter beobachtet hat. So gehört die Beratung gewalttätiger Erwachsener ebenso zur Arbeit wie die von LehrerInnen, MitarbeiterInnen in Kindertagesstätten und sonstiger „MultiplikatorInnen“. Gestern zog das Kinderschutzzentrum die erste Bilanz seiner bisher einjährigen Arbeit.

„Wir konnten uns in Harburg fest etablieren“, sagt Slüter. 276 Beratungen führten die PädagogInnen und PsychologInnen allein im Jahr 1997 durch. 85 Familien wurden längerfristig therapeutisch betreut, wobei der Kontakt von einzelnen Gesprächen bis hin zu Therapien mit mehr als einjähriger Dauer reicht. In rund der Hälfte aller Fälle war ein Kind Opfer sexuellen Mißbrauchs, zu 35,3 Prozent Opfer körperlicher Mißhandlung geworden. Oftmals sei auch die Vernachlässigung von Kindern das Thema.

Im Süderelberaum ist das Kinderschutzzentrum die einzige Einrichtung dieser Art. Die meisten Familien kämen aus den angrenzenden sozialen Brennpunkten wie Neuwiedenthal oder Heimfeld, so Slüter. In Neuwiedenthal etwa gebe es nur eine Erziehungsberatungsstelle, und die verfüge nicht einmal über fest angestellte MitarbeiterInnen.

Dabei sei Gewalt in Familien und unter Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Thema – gerade seitdem sich in Neuwiedenthal im Januar 1997 der 17jährige Mirco vor die S-Bahn geworfen hatte, weil er sie nicht mehr aushielt.

Elke Spanner