Heraus zum revolutionären CSD?
: Liebe ist anders, nicht artig

■ Zum vierten Mal feiert die Region den Christopher Street Day in Oldenburg

Das traumatische CSD-Erlebnis für die Bremer Schwulen- und Lesbenszene, es liegt nun vier Jahre zurück. Von dem Krach, den es 1994 beim ersten Christopher Street Day seit 13 Jahren gab, hat sich die Szene in der Hansestadt scheinbar noch immer nicht erholt. Linke Schwulengruppen befürchteten damals die Kommerzialisierung des eben erst revitalisierten Festes. Von der 200köpfigen Feiergemeinde war eine kleine Polit-Gruppe damals als störend genug empfunden worden, um die Polizei um Hilfe zu bitten – mit der man sich in der New Yorker Christopher Street 1969 immerhin Straßenschlachten geliefert hatte. Der Eklat war da.

Seitdem liegt die CSD-Kultur in Bremen brach. Des einen Leid, der andren Freud: So tingelt die Szene seit nunmehr vier Jahren in dieser Jahreszeit regelmäßig nach Oldenburg, um dort so bunt wie möglich der Proteste von 1969 zu gedenken. 2.000 Menschen kamen letztes Jahr in die Huntestadt, und jährlich werden es mehr. Für nächstes Jahr hat sich der organisierende L.u.S.T. e.V. schon vorsorglich den Schloßplatz als Veranstaltungsort gesichert.

Es ist noch immer Thema in der Szene: Woran liegt es, daß die BremerInnen nichts Eigenes auf die Beine stellen können oder wollen?

Zusammen mit Berlin war Bremen 1979 immerhin die erste Stadt in Deutschland, die an die Tradition des Christopher Street Days in New York anknüpfte. Doch anders als in Berlin, wo es genau wie in Bremen in der Vergangenheit Konflikte um die Stoßrichtung des CSD gegeben hat, scheinen die verschiedenen Gruppen und Grüppchen in Bremen nicht mehr zusammenfinden zu können.

„Daß sich die Schwulen selbst bekriegen, war eine schlimme Sache“, sucht Arno Oevermann vom Rat & Tat-Zentrum nach Gründen dafür, daß in Bremen am CS-Tag tote Hose ist. Die Szene, „klein und zerstritten“, hat in seinen Augen vor allem ein Problem: sie sei kaum untereinander vernetzt. Und genau darin sehen Oldenburger den Grund, warum der CSD ausgerechnet dort langsam aber sicher zur Institution wird. „Schwule und Lesben machen hier ungewöhnlich viel zusammen. Vielleicht hat das einfach mehr Zusammehalt gegeben“, meint Roland Siefken vom „Na Und“-Verein.

Ein Silberstreif am Horizont? Vor wenigen Monaten hat sich in Bremen eine Regionalgruppe des Schwulen-Verbandes Deuschland (SVD) gegründet. Und die würden, so ist zu hören, den CSD nächstes Jahr gerne nach Bremen zurückholen. Ohne die Kritiker von 1994 und ohne die Oldenburger wird das kaum zu machen sein. „Da müßte eine integrative Seite wie das Rat und Tat-Zentrum mitmachen“, glaubt auch Ralf Lottmann von der Suspekt-Gruppe aus dem Sielwallhaus, die vor vier Jahren zu den „Konsumwarnern“ gehörte. „Man müßte es auf einen Versuch ankommen lassen“, meint Lottmann nicht ohne Skepsis.

Auch Stefan Lutz, der 1995 mit seiner „Initiative für einen anderen CSD“ den vorerst letzten Versuch der Politisierung unternahm, bleibt verhalten. Der Ansatz von größeren Homosexuellen-Vereinigungen, beim CSD alle Teile der Bewegung zu vereinen, werde schwerer: „Die Szene differenziert sich immer mehr aus.“ Sein Wunsch: Eine Bewegung, die eben nicht in einer zentralistischen „Bürgerbewegung“ mündet, sondern Platz für die Kleinteiligkeit der verschiedenen Richtungen hat. Damit wäre auch gesichert, daß linke Politik nicht in der Masse der Partygemeinde untergeht.

Christoph Dowe