Französisch ab der 3. Klasse

■ Die Grundschulreform soll ab nächstem Schuljahr beginnen: Mit Differenzierung, früherem Sprachunterricht und individuellem Lernen will Senatorin Stahmer den Unterricht verbessern

Dem Söhnchen des Daimler- Managers aus Stuttgart, der nach Berlin zieht, sei die ungewohnte sechsjährige Grundschule nicht zuzumuten. Schlauen Kindern sei es in den 5. und 6. Klassen der Grundschule zu langweilig. Darum sollte das Gymnasium schon ab der 5. Klasse beginnen, so die Befürworter des grundständigen Gymnasiums. Immer mehr besorgte Eltern erhoffen sich davon bessere Startchancen für ihre Sprößlinge. Grund genug für die Senatsschulverwaltung, seit 1990 schrittweise zusätzliche 5. und 6. Klassen an Berliner Gymnasien einzurichten.

Der Unzufriedenheit der Eltern mit der Qualität des Grundschulunterrichts setzt Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) seit März dieses Jahres etwas entgegen: die „Grundschulreform 2000“. Durch mehr Differenzierung und individuelleres Lernen hofft die Senatorin den Unterricht in den Grundschulen zu verbessern. Denn nicht nur in Berlin, sondern auch im Ausland habe sich das Konzept der sechsjährigen Grundschule bewährt. Wenn der Unterricht nicht ihren Fähigkeiten entsprechend gestaltet sei, würden Kinder sich eben langweilen – egal ob im Gymnasium oder in der Grundschule –, so die Argumentation der Senatorin.

Schon zum nächsten Schuljahr soll mit der Reform begonnen werden, die auf eine gemeinsame Initiative der Berliner Hochschulen, der Gewerkschaften und des Grundschulverbandes zurückgeht.

Die Reform sieht vor, daß jede Grundschule ab der 5. Klasse zusätzlich ein „Wahlpflichtfach“ einführt. Das kann eine weitere Fremdsprache, ein naturwissenschaftliches Fach, Musik, Kunst, Technik oder Sport sein. Damit sollen besondere Fähigkeiten der SchülerInnen gefördert werden.

Am Thema Computer kommen in Zukunft auch die Grundschulen nicht vorbei. Mit der Reform sollen nicht aber nur die Kleinen Bildschirm, Maus und Tastatur beherrschen lernen, sondern auch die PädagogInnen und Eltern. „Denn die kennen sich ja oft schlechter aus als die Schüler“, begründete Stahmer die Idee.

Die Einschulung soll ebenfalls flexibler gehandhabt werden. Künftig können auch Kinder eingeschult werden, die erst am 30.September sechs Jahre alt werden. Bislang galt der Stichtag 30.Juni. Eine Einheit sollen bald Vorklasse, 1. und 2. Klasse bilden. Kinder können entsprechend ihrer individuellen Entwicklungsleistungen kürzer oder länger in dieser Phase bleiben.

Das Programm will auch eine verläßliche Halbtagesbetreuung der Kinder gewährleisten. Für die „familienfreundliche Halbtagsschule“ will Stahmer insgesamt 50 Lehrer zusätzlich einsetzen. Während im Ostteil der Stadt alle Grundschulen bereits den offenen Ganztagsbetrieb anbieten, gibt es im Westen nur ganz wenige Ganztagsschulen. Nun sollen zumindest sechsstündige Öffnungszeiten garantiert werden. Für Kinder „nichtdeutscher Herkunftssprache“ sind Fördermaßnahmen vorgesehen. So will Stahmer an „sozialen Brennpunkten“ 50 Lehrer zusätzlich einsetzen, die Deutschunterricht geben sollen.

Schon ab dem neuen Schuljahr, kündigte die Schulsenatorin an, soll in 500 dritten Klassen mit Englisch- oder Französischunterricht begonnen werden. Außerdem soll die Stadt mehr Europaschulen und zweisprachige Schulen erhalten. Ob Berlin eine Internationale Schule bekommt, wird noch geprüft.

„Gründsätzlich vernünftig“, findet die bildungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Sybille Volkholz, die Grundschulreform. Trotzdem hält sie das Halbtagesangebot der Grundschulen auch nach der Stahmer-Reform nicht für hinreichend. Eltern müßten ihrer Meinung nach ihre Kinder bis in den Nachmittag hinein an der Schule betreuen lassen können. Außerdem wollen die Bündnisgrünen Eltern, KünsterInnen und andere Menschen mit speziellen Fähigkeiten stärker mit den Kindern an der Grundschule in Kontakt bringen. Kirsten Küppers