Einträchtig vor der Großbildleinwand

■ Deutsche und Iraner verfolgen gemeinsam die Fernsehübertragung des Fußball-WM-Spiels beim Hohenschönhauser Fanprojekt. „Wer zu uns kommt, prügelt sich nicht“

„Ich find das geil, daß sie dem Bullen eins draufgegeben haben“, ist Renés Kommentar zu den Hooligan-Ausschreitungen in Lens. Sein Freund sieht das anders: „Das ist schäbig, was da passiert ist. Der Bulle hat doch nur seinen Job gemacht.“ Aber gleichzeitig findet auch er es richtig, daß die Hools es den Polizisten mal gezeigt haben: „Sonst prügeln die doch immer nur auf uns ein.“

Die beiden sind Hertha-BSC- Anhänger. Sie sehen sich nicht als Hooligans, seien einer Schlägerei aber nicht abgeneigt. Doch heute, am Abend des WM-Spiels Iran – Deutschland, sind der 19jährige Elektriker und der 18jährige Maurerlehrling in friedlicher Stimmung. Statt sich zu prügeln, essen sie lieber Hähnchen mit Safranreis – beim „iranisch-deutschen Abend“ des Fanprojekts im Sportzentrum Hohenschönhausen.

Während der gesamtem Weltmeisterschaft bietet hier das Projekt, das mit Fans aller Berliner Fußballvereine zusammenarbeitet, ein großes Rahmenprogramm an. Je nach Spiel gibt es einen afrikanischen, amerikanischen oder, wie am Donnerstag, einen iranischen Abend, bei dem auch immer eine Mannschaft anderer Nationalität zu einem Freundschaftsspiel eingeladen wird. Junge Fußballfans zwischen 15 und 25, die sich normalerweise spinnefeind sind oder aber gar nichts miteinander zu tun haben, treffen sich einträchtig vor einer Großbildleinwand zu den WM-Übertragungen.

Diesmal sind es eine Gruppe von Tennis-Borussia-Fans, die „mit Gewalt überhaupt nichts zu tun haben“, dazu viele Hertha- BSC-Fans und ein iranisches Zwillingspärchen. Vor Beginn der Fernsehübertragung haben sie selbst noch gekickt, die Iraner zusammen mit Hertha-Fans gegen die Borussen. Angst, nach Hohenschönhausen zu kommen, hatten die Iraner nicht. „Es ist nur schade, daß wir so wenige sind. Da können wir nicht richtig jubeln“, findet Hassan.

„Gewalt wird von uns natürlich immer wieder thematisiert. Auch die Vorfälle in Lens“, betont Birger Schmidt vom Fanprojekt. „Aber natürlich können wir niemanden daran hindern, nach Frankreich zu fahren“, so der Sozialpädagoge, der viele der Berliner Hooligans kennt. Darum bietet das Fanprojekt sein Programm als Alternative an. „Viele waren sehr enttäuscht darüber, daß sie keine Karten für die Spiele bekommen konnten. Da wächst natürlich der Frust“, erklärt Schmidt. „Aber wer zu uns kommt, prügelt sich nicht“, sagt er. Beim Spiel der Deutschen gegen die USA hätten einige Jungs bei der amerikanischen Hymne gepfiffen und ab und zu werde auch schon mal „Deutschland, Deutschland!“ gerufen. Aber mehr sei noch nicht passiert. Sollte es doch mal zu einer Schlägerei kommen, ist Schmidt sich sicher, daß es „genügend Vernünftige gibt, die einen großen Einfluß auf die Unruhestifter haben“.

Auch an diesem Abend bleibt alles ruhig. Als Bierhoff und Klinsmann die beiden Treffer für Deutschland landen, singen ein paar „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Dabei bleibt es auch. Nur die Iraner sind nachher etwas geknickt. „Schade, daß unsere Mannschaft nicht mehr daraus gemacht hat“, sagen sie. Trotzdem hat ihnen der Abend im Fanprojekt sehr gut gefallen. „Die Gastfreundschaft war toll.“ Katharina Maas