Keiner weiß, was lustig ist

Die angebliche Krise der deutschen Fernsehcomedy und woher sie kommt: Die Sender haben nur diffuse Vorstellungen von dem, was sie wollen – sie verschlimmbessern die Formate dann trotzdem tot  ■ Von Stefan Kuzmany

Schöne Ideen altern rapide: „Switch“, die gelungene Fernsehparodie auf Pro 7, wandert bei mäßigem Erfolg von einem Sendeplatz zum anderen und wiederholt sich dabei selbst. Bei der „RTL Samstag Nacht“ hat sich nach Meinung des Produzenten Hugo Egon Balder „lustlose Routine“ eingeschlichen – die Sendung ist vorerst vom Bildschirm verschwunden. Über den „Quatsch Comedy Club“ und die „Comedy Factory“ (beide bei Pro 7) kann man spotten, aber nicht lachen.

„Fiktiv“, das neue Fake-Magazin auf Kabel 1, hätte viel schöner sein können: eigentlich, erzählt der Entwickler Winnii Gahlen vom Köln-Comedy-Festival, hätte er lieber den seriösen Ernst Dieter Lueg als Moderator der erfundenen Nachrichten gehabt – allein, die Redaktion des Senders wollte nicht, und deshalb moderiert jetzt der zwangskomische Peer Augustinski. „Das Konzept ist verwässert“, konstatiert Gahlen. Die Konsequenz hat er schon vorher gezogen: Sein Name taucht im Abspann nicht mehr auf.

Wer ist schuld an der „Krise der TV-Comedy“ (Spiegel)? Glaubt man Produzenten wie dem Münchner Maurice Philip Remy, sind es in den meisten Fällen die Verantwortlichen der TV-Stationen. „Redakteure sind wie Schnupfen: sie kommen und gehen“, faßt er seine Erfahrung zusammen. Einmal habe er bei einem Privatsender mit einer 22jährigen Redakteurin arbeiten müssen, die bei der Abnahme der Sendung noch nicht einmal das Drehbuch gelesen hatte. Überhaupt: „Es ist eine Qual, jemanden zu finden, der erkennt, daß eine Idee gut ist.“

Bei den Privatstationen, so klagen er und andere, sei oft eine gewisse Beliebigkeit und mangelnde Kompetenz anzutreffen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten hätten generell noch die besser ausgebildeten Leute – letztlich sei es aber hier wie dort eine reine Glücksfrage, auf wessen Schreibtisch ein Projekt landet. Im Moment ist der Produzent ungewöhnlich zufrieden: „Wir hatten riesiges Glück mit unserer WDR-Redaktion bei der Produktion von ,Ein ehrenwertes Haus‘. Die haben uns unterstützt und uns freie Hand gelassen.“ Dem Produkt, einer neuartigen Versteckte-Kamera-Show, ist das anzumerken.

Remy verläßt sich bei der Qualitätsprüfung von Konzepten vor allem auf seinen Bauch, jedoch „auch der ist nicht unfehlbar“. Oft unterscheide sich die subjektive Einschätzung einer Idee stark von der Einschätzung der Redaktion. Das führe manchmal zu fatalen Fehlentscheidungen.

Einmal hatte Remy die Idee zu einer Versteckte-Kamera-Show nur mit Prominenten. „Ach nee, da glaub' ich nicht dran“, wurde er von einem Programmverantwortlichen beschieden. Das Format lief dann mit großem Erfolg anderswo.

Weil der Erfolg einer Show oft so schwer vorauszusagen ist, lassen inzwischen immer mehr Sender neue Formate vor dem Start wissenschaftlich analysieren. Solches bietet etwa Gerhard Graf mit seiner Münchner Firma „GGmedia“ an. Mit Zielgruppenbefragungen, Gruppengesprächen und Quotenanalysen, verspricht er Produzenten und Redakteuren, würde er „die Unsicherheit minimieren“. Doch er selbst stochert oft „mit langen Stangen im Nebel“, gibt er zu.

„Viel Geld und wenig Ansage“ sei im Geschäft, die Sender täten sich schwer damit, früh über einen Sendeplatz, das Umfeld und das Konkurrenzprogramm zu informieren. Genau das sei jedoch dringend nötig, um ein erfolgversprechendes Konzept zu entwickeln: „Sie können jede Sendung ruinieren, wenn zu oft der Sendeplatz gewechselt wird.“

Von den Sendern, erzählt der Medienforscher, kämen oft nur sehr diffuse Vorgaben: Das Programm solle „jung“ sein, „Hochglanz“, dem „Image entsprechen“ – was das bedeuten soll, weiß kaum jemand. Grafs Untersuchung der potentiellen Akzeptanz einer Sendung ist rein quotenorientiert – künstlerische Beurteilung möchte er sich nicht anmaßen: „Ich arbeite ähnlich wie jemand, der sich Gedanken darüber macht, wie Wurst schmecken soll, damit möglichst viele Leute diese Wurst kaufen.“