Traum, Tratsch, Trost

■ Alles, was zu einer zünftigen weiblichen Sozialisation gehört: „Crash Days“, der letzte Teil von Ute Rauwalds „Geschwister“-Trilogie bei, „Die Wüste lebt!“ Von Barbora Paluskova

Familientreffen mit Vorlauf: Die Premiere von Crash Days wurde mit großer Spannung erwartet, schließlich hat Regisseurin Ute Rauwald ihr Projekt zum Thema „Geschwister“ als Trilogie konzipiert, und der erste Teil mit dem Titel Sechs häßliche Töchter lief schon im April bei den Jungen Hunden auf Kampnagel. Der zweite wird in nächster Zeit in Österreich uraufgeführt, wo auch schon der erste während der Wiener Festwochen den Regiepreis gewonnen hat. Beim Nachwuchsfestival „Die Wüste lebt!“ in den Kammerspielen wurde nun erst einmal der Schluß gezeigt. Crash Days trägt den Untertitel Sechs häßliche Töchter Inc. oder Die Nacht will Begleitung, und der Bezug auf den ersten Teil ist treffend. Fast alles ist wie gehabt: die Besetzung und das Thema, das Bühnenbild und die Kostüme, aber auch die Motive und deren Umsetzung. Auf der Grundlage des Dramas Bernarda Albas Haus, Federico Garcia Lorcas „Frauentragödie in spanischen Dörfern“ von 1936, läßt Ute Rauwald Geschwister-Konstellationen sichtbar werden. Doch es gibt auch Unterschiede: In Crash Days stellen die Schauspielerinnen dankenswerterweise weder Hühner noch Kühe dar, und Lorcas staubige Sentenzen sind stärker zurückgeschraubt.

Sechs junge Frauen sind zu sehen, alle miteinander verwandt, wahrscheinlich überwiegend als Schwestern. Die älteste übernimmt manchmal die Rolle der Mutter und verspricht, eine härtere Gangart bei ihren Erziehungsmethoden einzuschlagen. Unnötig, denn die Sozialisation funktioniert auch ohne Generationskonflikt mit gnadenloser Härte. Die Familie bietet Schutz und Sicherheit, Raum zum Spielen und Sich-ausprobieren, zum Träumen, Tratschen und Trösten. Ein Mann hat es gewagt, eine von ihnen abzuweisen? Sie hätte seinen Auspuff zukleben sollen, damit das Auto explodiert, meint ein Schwesterchen mitfühlend. Eine andere versucht verzweifelt, vor dem Publikum das seltsame Spiel zu rechtfertigen, das Magda mit zwei Kerzen auf ihren Brüsten treibt. „Meine Schwester hat einen neuen Bikini, seitdem ist sie ganz anders“ – der Clan wird nach außen verteidigt, die Gemeinheit der Außenstehenden ignoriert oder mit Racheplänen abgefedert.

Doch es gibt Regeln, und wer sie übertritt, bekommt den bitteren Ernst der gegenseitigen Kontrolle zu spüren. „Sie läßt mich nicht atmen“ – der Stoßseufzer verpufft im fünfstimmigen Gezischel ohne Reaktion. Anpassung wird gefordert und zähneknirschend gewährt. Eine Fluchtmöglichkeit scheint es nicht zu geben, bis die Seitentür im Zuschauerraum aufgerissen wird und die sechs Töchter ihren Familienfrust ohne Rücksicht auf die Nachbarn in den Hinterhof hinausschreien.

Im Gegensatz zum zweistündigen ersten Teil endet der Trilogie-Abschluß nach nur einer Stunde mit Unterstützung der Männerwelt. „Die Band“ wird als Großereignis angekündigt. In Wahrheit beschließen Ninos Con Bombas den Abend mit einer Punk-Hymne. So wird auf einen unangenehmen Aspekt des weiblichen Großwerdens verwiesen, den auch an eigentlich schon erwachsenen Frauen oft kaugummigleich haftenden Groupie-Habitus. Auch eine Sache, der frau sich stellen muß.