Jagen für den Funk

■ Ausgezeichnet: EU-Preis für die Bremer Rundfunkjournalistin Margot Overath

Margoth Overath ist Jägerin und Sammlerin zugleich. Sie lebt von der Jagd und dem Verkauf journalistischer Geschichten – auch wenn die freie Journalistin, die Geschichten „mit – nicht über Menschen“ macht, sich selbst kaum als Jägerin bezeichnen würde. Eher als Sammlerin: „Die Themen liegen doch auf der Straße; einmal die Zeitung lesen, schwupps, schon habe sie drei neue Ideen. Nur die besten davon setzt die Rundfunkjournalistin in einstündige Radiogeschichten um – in immer seltener werdende „Features“ für „ernste“ Programme wie Radio Bremen 2 oder das Deutschlandradio. Das allerdings tut sie mit Erfolg.

Für ihren im vergangenen Jahr auf beiden Sendern ausgestrahlten Beitrag „Auf der Flucht. Wie der junge Koudjo aus Togo doch noch in Deutschland Asyl bekam“, erhielt sie zum diesjährigen „Europäischen Tag gegen Rassismus“ den europaweit ausgeschriebenen, mit 5.000 Dollar dotierten Preis der EU und der Brüsseler „International Federation of Journalists“ in der Sparte „Rundfunk“. Es ist die letzte von mehreren Auszeichnungen, die die Journalistin, eine Sozialwissenschaftlerin, die ihre Radiolehre einst beim Bremer „Popkarton“ begann, in letzter Zeit erhielt; darunter auch 1997 der renommierte CIVIS Hörfunk- und Fernseh-Preis.

„Sowas brauchen Freie wie ich zum Leben“, lacht sie. „Dabei war das nicht mal meine beste Geschichte.“ Dann stockt sie und ergänzt kritisch: „Journalistisch gesehen. Bei dieser Geschichte konnte ich nicht alle technischen Möglichkeiten umsetzen.“ Geräusche, Musik, das Sinnliche, ein Hörbild eben – das ist der 51jährigen mindestens so wichtig, wie eine gründliche Recherche, die manchmal Monate dauert. Im Fall des ausgezeichneten Radiobeitrags beispielsweise begleitete sie den jungen Koudjo, der in Togo gefoltert und dabei körperlich verletzt worden war, über ein Jahr lang. Bis er schließlich als Flüchtling anerkannt wurde. „Das ist selten, daß man wirklich ein Stück zusammenbekommt, ohne daß die Leute vorher weggeschickt werden“, sagt sie. Den 15jährigen hatte sie in einer Bremer Asylunterkunft für Jugendliche kennengelernt. „Er war sehr verschüchtert. Ängstlich irgendwie. Völlig in sich gekehrt und anders als die andern.“

Daß Koudjo damals noch im Bann der Folter stand, die ihm selbst angetan worden war, und die er an anderen hatte miterleben müssen, ahnte sie nur. Die wunden Ohren, die die Folterer ihm teilweise abgeschnitten hatten, waren noch nicht ganz verheilt. Es dauerte lange, bis Koudjo überhaupt begann, mit ihr zu sprechen.

Margot Overath nahm sich die nötige Zeit. „Ich mache keine kurzen Geschichten“, sagt sie. „Nicht mal schnell Leute aushorchen und meine Schlüsse ziehen“ – wie andere JournalistInnen, die ihr schon manche Geschichte kaputt gemacht haben, weil die Menschen, über die berichtet wurde, sich nur noch entnervt erinnern: „da war doch schon ... und das war doch schrecklich.“

Das findet die Overath oft auch – und das nicht nur, weil es sie meist extra Mühe kostet, den Schaden zu begrenzen, wenn dies überhaupt gelingt. Wie im Fall der Nonnen, über deren Alltag im Kloster sie am Ende doch berichten durfte, obwohl die Frauen ihr die Türen anfangs zuhielten. Sie wollten nicht schon wieder als sexuelle Kuriositäten vermarktet werden.

Auch wegen solcher Fälle spricht Margot Overath lieber über ihre vergangenen Arbeiten als über kommende. Die hält sie geheim. Damit ihr nicht andere JägerInnen in die Quere kommen. ede