Grange Opera in der Scheune

■ Auf dem Künstlerinnenhof „Die Höge“ wurde die multimediale Oper „sieben, seven, sept“ uraufgeführt / Gelungene Inszenierung

Das Wortspiel ist unübersetzbar: „Grange Opera“ heißt der Untertitel des interdisziplinären Gesamtwerks „sieben, seven, sept“, das jetzt auf dem Künstlerinnenhof „Die Höge“ uraufgeführt wurde. „Grange Opera“ bezieht sich zweifelsohne auf die Gattung „Grand' opera“, die hier entwickelt wurde: also eine Scheunenoper. Folgerichtig hat die künstlerische Leiterin des Projektes, die Videokünstlerin Annebarbe Kau, das Schwergewicht auf Musik gelegt. Zum dritten Mal arbeiteten jetzt auf dem 1995 gegründeten Hof zwischen Syke und Bassum sechs Künstlerinnen aus allen Sparten drei Wochen lang zusammen und stellten das Ergebnis einem zahlreich erschienenen Publikum vor.

Das gemeinsame, etwas beliebig klingende Thema, Aspekte des Verhältnisses von Körper, Raum und Zeit, entsteht in der Scheune gewissermaßen von selbst. Denn der von der Malerin Heike Weber (Köln) in blauweißen Linien ausgestattete Boden, die von der Künstlerin Anke Schulte-Steinberg (Münster) angelegten Lichteffekte, die sie „Schattenmaschinen“ nennt, das von der Schlagzeugerin Claudine Denis (Liège) entworfene und selbst gebaute Metallinstrumentarium und nicht zuletzt die Videoarbeiten auf mehreren den Raum teilenden Leinwänden von Annebarbe Kau (Köln) bilden das grundsätzliche Ambiente, das auf der Stelle alle Sinne anspricht und das Publikum mitnimmt auf die Reise zur „Grange opera“.

Die musikalischen Elemente changieren zwischen unendlich zarter, auch melancholischer Poesie – so die in luftiger Höhe auf einem Balken gespielten Bandoneonstücke der Komponistin Caroline Wilkens (Wuppertal) – , dramatischen Duetten – Beth Griffith und Marianne Schuppe, Gesang – , einer hinreißenden Opernparodienummer und einem aufregenden, fabelhaft crescendierenden Schlagzeugsolo.

Es ist müßig, einzelne Aspekte dieses stimmungsvollen Abends zu kritisieren – das wäre zum Beispiel eine gewisse Zähflüssigkeit der Anschlüsse und das längst nicht ausreichende Ausschöpfen der konkreten Möglichkeiten – , denn eine derartig innovative Arbeit, kann immer nur ein „Work in Progress“ sein: Der eigentliche Wert ist die dreiwöchige Begegnung der Sparten. Stimmig war der verfremdende und ironische Rekurs auf die Grundelemente der Oper, sogar die postmoderne Philosophie – Texte von Barbara Becker (St. Augustin) – der seinen Höhepunkt in einer Arienparodie durch Beth Griffith hatte: Im weißen Kleidchen mit langen blonden Haaren ist sie irgendeine Mischung aus Ophelia und Lucia di Lammermoor und textet ihre komischen Koloraturen: „Mir fällt gar nichts mehr ein!“.

Der Abend war ein weiterer Schritt für das stets wachsende Renommée der „Höge“. Die Leiterinnen Barbara Baum und Barbara Reinhart haben mit dem Ausbau der Ställe beginnen können, in denen ab dem Jahr 2000 Künstlerinnen durch Stipendien in Appartements in Ruhe werden arbeiten können. Die Idee haben die beiden aus Kalifornien von dortigen „artist colonies“ mitgebracht. Die Gelder dafür soll eine Stiftung absichern, die im Aufbau ist. Informationen dazu gibt es unter 04249/1377.

Ute Schalz-Laurenze