Kommentar
: Entsetzlicher Heuchler

■ Politisch korrekte Hysterie

Eigentlich müßte Radio-Bremen Intendant Karl-Heinz Klostermeier wissen, wie schnell man sich verplappern kann. Doch anstatt sich an die unrühmliche Rundfunkratssitzung im März zu erinnern und Nachsicht mit dem Moderator zu üben, schmeißt er ihn raus. Ein kleiner, freier und vor allem rechtloser Mitarbeiter eignet sich eben hervorragend, um ein Exempel zu statuieren. Sicherlich kann man die Äußerung des Moderators und die des Intendanten nicht miteinander vergleichen. Der dämliche Satz des Moderators ist über den Sender gegangen, der Intendant hat sich in einer Sitzung verplappert. Aber er ist Intendant und kein kleiner Moderator. Sein Wort hat Gewicht, und wird überall zitiert. Mit dem Rausschmiß hat Klostermeier jetzt sein schlechtes Gewissen beruhigt. Er kann sich trotz seines Faux pas im März als politisch korrekter Intendant präsentieren. Er säubert seine Weste auf Kosten eines freien Mitarbeiters. Mit Verlaub, Herr Klostermeier, Sie sind ein entsetzlicher Heuchler.

Die Geschichte der beiden geschaßten Journalisten zeigt noch etwas anderes: Äußerungen, die angeblich antisemitisch sind, werden oft mit einer an Hysterie grenzenden politischen Korrektheit geahndet. Das hat nichts mit Vergangenheitsbewältigung zu tun, das ist der hilflose Reflex eines Schuldkomplexes. Vergangenheitsbewältigung heißt, Maulhelden von Tätern zu unterscheiden. Insofern ist die unverkrampfte Haltung des Rabiners zu begrüßen. Kerstin Schneider