TV und andere Waffen

■ Die Rolle der Medien im Kosovo-Konflikt: Wie mit der Guerilla das Monopol einer Zeitungs- und Satelliten-TV-Gruppe ins Bröckeln gerät

An Propaganda gibt es keinen Mangel. Jede Partei hat ihr Organ, jedes Politgrüppchen sein Blättchen. Was aber derzeit im Kosovo fehlt, wo die serbische Regierung gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit kämpft, sind ideologiefreie Informationen. Für jedes Ereignis findet man hier derzeit mindestens zwei „Wahrheiten“ – manchmal sogar noch mehr.

Da sind zum einen die staatstragenden serbischen Massenmedien, Radio, Rundfunk und regimetreue Zeitungen – daneben existieren noch einige kleine serbische Oppositionsblätter. Auf albanischer Seite dominiert dagegen eine veritabler Medienkonzern: Die sogenannte „Rilindja“-Gruppe mit Sitz in Tirana, Zürich und New York gibt eine Tageszeitung und drei Wochenblätter heraus, produziert mehrere Radioprogramme und betreibt einen eigenen Fernsehsender. Geführt wird die Gruppe von Ibrahim Rugova und Bujar Bukoshi. Rugova nennt sich Präsident des nicht existierenden Staates Kosovo, Bukoshi sieht sich als Premier einer im westeuropäischen Exil agierenden Regierung.

Diese Exilregierung treibt vor allem unter Emigranten, Gastarbeitern und Asylbewerbern „freiwillige Steuern“ ein, mit denen angeblich „der Aufbau staatlicher Strukturen“ und „ein Netz unabhängiger Medien“ finanziert werden soll. In Wirklichkeit fließen die „Spenden“ aus Übersee und Europa jedoch vorwiegend in Waffenkäufe und in den Sender TV Shquiptar, dem europaweiten Satellitenprogramm in albanischer Sprache. Daneben wird noch etwas für Printmedien abgezweigt. Das geht zumeist dem Regierungsorgan Rilindja (Wiedergeburt) zu, einer Tageszeitung, die sich auch an fast jedem deutschen Bahnhofskiosk findet.

Doch am wichtigsten ist der „Regierung“ ihr Fernsehsender: TV Shquiptar, das über Eutelsat II, 13 Grad Ost problemlos per Schüssel zu empfangen ist, verschlingt etwa 15 Millionen Mark im Jahr. Eine Summe, die sich aus Sicht der kosovo-albanischen Führung aber bezahlt macht: Das Programm erfreut sich im Mutterland Albanien großer Beliebtheit, und für alle Kosovo-Albaner im westlichen Ausland ist der Sender eine Verbindung zur Heimat.

Zudem ist im Kosovo selbst dieser Satellitenkanal seit 1993 die einzige Unterhaltungsquelle in albanischer Sprache. Damals hat das serbische Regime die albanischsprachigen Schulen, Theater und Kinos schließen lassen und albanischsprachige Veranstaltungen untersagt.

Bis Anfang des Jahres war TV Shquiptar das Medium schlechthin. Die albanische Bevölkerung boykottierte alles, was aus Belgrad kam, auch den Oppositionsblättern schenkte sie keinen Glauben. Doch als im vergangenen Jahr eine unbekannte „Befreiungsarmee Kosovo“ (UCK) mit Übergriffen auf Polizeistationen und Militärbasen der Serben in Erscheinung trat, da bröckelte langsam das Monopol der „Rilindja“-Gruppe. Rugova und Bukoshi mißtrauten den Untergrundkämpfern und erklärten sie als „Erfindung des serbischen Geheimdienstes“. Vor allem TV Shquiptar warnte seine Zuschauer allabendlich, den „aussichtslosen militanten Kampf gegen die Übermacht der serbischen Armee nicht aufzunehmen“.

Die unbekannten Guerilleros konterten zurück. „Nur wir sind die einzig wahre und authentische Kraft zur Befreiung des albanischen Volkes“, hieß es in ihren namenlosen Kommuniqués, die eine bislang unbedeutende Zeitung, die in Zürich erscheinende Bota Sot abdruckte. Seit kurzem werden diese Texte auch in der Belgrader Oppositionspresse wie Danas oder Nasa borba zur Diskussion gestellt.

Bota Sot gilt derzeit als das politische Organ der UCK und hält sich mit Kritik am Rilindja-Konzern nicht zurück. Das Blatt droht sogar den Albanerführern Rugova und Bukoshi mit „Vergeltung“, sollten diese nicht auf den UCK- Kurs umschwänken und TV Shquiptar zur „Kampfstimme eines unterdrückten Volkes“ umwandeln. So schmuggeln UCK- Aktivisten neben Waffen nun auch die täglichen Ausgaben von Bota Sot ins Kosovo-Gebiet, zum Mißfallen der pazifistisch orientierten Zeitungsmacher um Rugova.

Doch auch die Schweizer Behörden prüfen inzwischen ein Verbot der Züricher Exilzeitung. Mehrere Bankkonten des kleinen Bota Sot-Verlages in der Schweiz wurden bereits geschlossen. Angeblich handelte es sich dabei um verdeckte Spendenkonten zum Kauf von Kriegsgerät. Karl Gersuny