US-Urteile gegen Belästigung

Das Oberste Gericht definiert den Tatbestand sexueller Diskriminierung und verdonnert die Arbeitgeber zur Einrichtung eines internen Beschwerdewegs  ■ Aus Washington Peter Tautfest

„Ich kann dir dein Arbeitsleben hier sehr angenehm oder auch sehr unangenehm machen!“ Was ist, wenn ein Vorgesetzter das zu einer Frau sagt, die er sich sexuell gefügig machen will? Und was ist, wenn die Frau dann trotz ablehnender Haltung keine beruflichen Nachteile hat? Zwei Urteile des Obersten Gerichts in den USA vom vergangenen Freitag sollen in solchen Fällen nun für Klarheit sorgen. Beide Fälle waren unabhängig voneinander durch einen langen Instanzenweg bis zum Obersten Gericht gelangt.

„Heute weiß jeder, daß sexuelle Anmache am Arbeitsplatz, sei's durch Vorgesetzte oder Kollegen, in der Arbeitswelt ein hartnäckiges Problem ist“, lautet eine der Kernpassagen aus der Urteilsbegründung des obersten Bundesrichters David H. Souter. „Jeder Arbeitgeber kann [...] davon ausgehen, daß dergleichen Verhalten in seinem Betrieb vorkommt, und es darf füglich angenommen werden, daß die damit verbundene Unbill zu Lasten des Arbeitgebers und nicht des Angestellten geht – solche Belastungen gehören heute zu seinen Betriebskosten.“

Das Gericht gab damit der Klage einer Frau recht, die gegen die Gemeinde Boca Raton im Bundesstaat Florida wegen sexueller Anmache geklagt hatte. Die Bademeisterin war anhaltend von ihrem Vorgesetzten mit anzüglichen Bemerkungen und Schlägen auf den Po belästigt worden. Sie klagte allerdings erst nach dem Ausscheiden aus ihrem Dienst gegen die Stadt, deren Angestellte sie war. Die wollte sich darauf hinausreden, daß sie von dem Verhalten des Vorgesetzten nichts wußte.

Im anderen Fall war eine Frau ständig von ihrem Vorgesetzten, mit dem sie bei Burlington Industries in Chicago ein Büro teilte, belästigt worden, hatte aber keine beruflichen Nachteile durch ihre Weigerung, ihm zu Willen zu sein. Auch sie hatte erst nach dem Ausscheiden aus der Firma Klage eingereicht.

In beiden Fällen befand Amerikas Oberstes Gericht, daß die Arbeitgeber nach dem Bürgerrechtsgesetz von 1964 haftbar sind, das Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Rasse, Herkunft oder Geschlecht untersagt. Arbeitgeber können sich weder darauf hinausreden, daß sie von dem Verhalten ihrer Mitarbeiter nichts wußten, noch spielt es eine Rolle, ob Drohungen Taten folgen. Nach den jüngsten Urteilen ist es Aufgabe der Arbeitgeber, einen Beschwerdeweg zu installieren, der von Frauen begangen werden kann, ohne daß diese Repressalien befürchten müssen. Arbeitgeber müssen heute davon ausgehen, daß Vorbeugung gegen sexuelle Anmache zum Standard der Arbeitsplatzgestaltung gehört.