Algeriens Berber sollen gleich doppelt verstummen

■ Die Islamisten ermordeten ihren Sänger – der Staat stiehlt ihnen das Recht auf ihre Sprache

„Wir wollen nicht arabisiert werden“, rufen die Jugendlichen in der Kabylei bei ihren Protestmärschen nach der Ermordung des Sängers Matoub Lounès immer wieder. Wenn alles nach Plan läuft, wird die algerische Regierung ab dem 5. Juli den vierten Anlauf unternehmen, um Arabisch als einzige Amtssprache einzuführen. „Alle offiziellen Dokumente, Berichte und mündliche Verfahren der öffentlichen Verwaltung und Einrichtungen sowie von Unternehmen und Verbänden werden auf arabisch redigiert“, steht im neuen Sprachgesetz, das 1996 verabschiedet wurde und nun in Kraft treten soll. Die Berber, 25 Prozent der algerischen Bevölkerung, trifft die Arabisierung besonders hart. Sie verlieren die wenigen Fenster im staatlichen Rundfunk und Fernsehen, die ihnen in den letzten Jahren in Tamazight zugestanden wurden, sowie das Recht, diese älteste Sprache Nordafrikas zu unterrichten. Gleichzeitig werden die Berber ihrer Verkehrssprache mit dem arabischen Algerien beraubt. Da die meisten von ihnen kaum Arabisch können, bedienten sie sich bisher der ehemaligen Kolonialsprache Französisch, die überall im Land gelehrt wurde. Doch auch damit soll 2000 Schluß sein.

Matoub Lounès warnte immer wieder vor der Erhebung des Arabischen – „dieser uninteressanten Kolonialsprache“ – zur einzigen Amtssprache. Im Gegensatz zum Französischen würde sie das wissenschaftliche Denken behindern. Als deutlicher Beweis galt ihm das Heer von Arbeitslosen, das aus dem rein arabischsprachigen Unterricht der 80er Jahre hervorgegangen ist. „Monster, die die Sterne zum Erlöschen bringen wollen“, nannte er diese gescheiterten Jugendlichen gerne, die dem von den Islamisten verbreiteten Haß auf frankophone Intellektuelle aufsaßen. Reiner Wandler

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