Kommentar
: Arbeitsteilung

■ Kosovo: Neue Partei will politischer Flügel der Rebellenarmee UCK sein

Mit einer Abspaltung von Rugovas albanischer „Demokratischer Liga“ ist die Parteienlandschaft im Kosovo in Bewegung geraten. Das Prinzip der Gewaltfreiheit, das von Rugova bisher vertreten wurde, wird nun auch in der Hauptstadt Kosovos, in Priština, offen in Frage gestellt. Es scheint, als ob die friedliche und im Waffengebrauch ungeübte Mittelklasse der Hauptstadt sich nun auf die Seite der Kämpfer der UCK stellen will. Und gegen Rugova rebelliert.

Doch vor voreiligen Schlüssen sei gewarnt. Denn noch vor zwei Monaten wurde Rugova mit 90 Prozent der Stimmen als Präsident der Kosovo-Albaner bestätigt. In den von serbischen Streitkräften angegriffenen Gebieten und in den „befreiten“ Regionen arbeiten die Mitglieder der Rugova-Partei und die UCK Hand in Hand. Auf den Demonstrationen wird nach wie vor „UCK-Rugova“ gerufen. Die Gründung der „Neuen Demokratischen Liga“ ist jedoch auch mehr als das Werk von einigen Konkurrenten Rugovas, die somit bloß an Macht gewinnen wollen.

Es ist bezeichnend, daß erst nach dem Auftauchen der UCK die Kosovokrise zu einem erstrangigen internationalen Problem geworden ist. Kinkels Ermahnung in der letzten Woche, Rugova solle zum friedlichen Weg zurückkehren, muß für diesen Mann wie Hohn geklungen haben. War er es nicht, der unter den schwierigsten Umständen an der Strategie des gewaltlosen Kampfes für die Unabhängigkeit festgehalten hat? Daß das internationale Desinteresse und die brüske Zurückweisung der Forderung nach Unabhängigkeit die UCK erst kreierte, wird im Ausland nach wie vor ignoriert.

Der größte Teil der kosovo-albanischen Bevölkerung hat erfahren müssen, daß die Nato sie nicht schützen wird und daß sie sich nur aus eigener Kraft aus dem „serbischen Kolonialsystem“ – so interpretiert sie den Status quo – befreien kann. Dies ist die Folie für den Aufstieg der UCK. Die UCK agierte anfänglich noch im Untergrund. Angesichts der serbischen Militäraktionen entwickelte sie sich mehr und mehr zu einer Art Volksarmee. Die Vertreter der neuen Partei wollen nun den politischen Arm dieser Armee bilden und internationaler Ansprechpartner sein. Verhandelt werden kann dann aber nicht mehr, ohne den Wunsch nach Unabhängigkeit zu akzetieren. Und das ist letztlich auch im Sinne Rugovas. Erich Rathfelder

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