Der Kampf um die Straße

■ Die Parteien dürfen auf ihren Plakatständern nur Veranstaltungen ankündigen. Trotzdem haben den sie Vorwahlkampf auf der Straße schon lange eröffnet

Irgendwo um die Hochschule Bremen in der Neustadt soll es ein Nest von konservativen StudentInnen geben: Plakate der PDS werden hier regelmäßig heruntergerissen. „Politischer Schwund“, nennt das PDS-Sprecher Werner Herminghaus.

Der plakative Vorwahlkampf auf Bremens Straßen ist schon lange entbrannt, obwohl echte Wahl-Plakate mit Schröders oder Kohls Konterfei erst ab 3. August geklebt werden dürfen. Zuvor zeigen die Parteien öffentliche Präsenz, indem sie vom Existenzgründerprozeß über die Podiumsdiskussion zur Globalisierung bis zum Tanz für Schwule und Lesben allerlei Veranstaltungen unter ihrem Logo anpreisen. Ehrenamtliche Klebeteams der CDU haben 800, die SPD zur Zeit 300 und die PDS 150 Auf-steller mit je drei DIN A 0-Plakaten in der ganzen Stadt verteilt. Tabu für Parteienwerbung sind nur Marktplatz, Liebfrauenkirchhof und Obernstraße.

Grüne AktivistInnen haben 350 kleinere DIN-A-1-Pappen aufgehängt. Mit dem jetzt geklebten Kopf von Parteisprecherin Gunda Röstel gehe man das Plakatkleben erstmals „semiprofessionell“ an, sagt Landesgeschäftsführer Björn Weber. „Im Bereich der A-0-Plakate ist der Wettlauf aber schon vorbei“, räumt Weber ein. CDU und SPD sind schon wochenlang draußen, die besten Standorte sind schon belegt. Denn die Parteien müssen zwar ihre Plakat-Wünsche vom Amt genehmigen lassen. An welchem Straßenschild – Bäume sind verboten – genau aber die Aufsteller angelehnt werden, ist frei.

Die Strategen in den Parteizentralen haben allerhand zu tun, um stets frische Attraktionen anzukündigen. Nur 14 Tage vor und drei Tage nach einer Veranstaltung darf das Plakat hängenbleiben. Bleibt ein Aufsteller leer, muß er abgeräumt werden. „Überkleben ist kein Problem, aber die Ständer reinzuholen und später wieder rauszustellen, da kriegt man Krätze dabei“, sagt ein CDU-Kleber.

Außerdem blockiert man auf diese Weise Werbefläche für die anderen. „Wir waren schon mit unserer Veranstaltungsreihe im letzten Jahr präsent“, sagt PDS-Sprecher Herminghaus. Für die PDS ist das Plakat als Informationsquelle wichtiger als für andere Parteien. Schließlich werde man von den Medien ignoriert.

SPD-Geschäftsführer Manfred Jabs erwartet von Wahlplakaten höchstens einen Stimmenzuwachs im Ein-Prozent-Bereich. So gebe es parteiintern eine Debatte darüber, ob Plakate überhaupt etwas bringen und wenn, wieviel. Zwischendurch dürfen bei der SPD auch das Jugendbündnis gegen Kohl oder eine Arbeitsloseninitiative ihre Veranstaltungen anpreisen. Und sogar der Europa-Tag, organisiert von der Senatsverwaltung des CDU-Senators Josef Hattig, bekam Asyl auf den SPD-Wänden. Aber auf die Dauer ist solche Großzügigkeit zu teuer. Darum hat der SPD-Klebetrupp unter der Ägide des Waller Ortsvereinsvorsitzenden Jürgen Pohlmann auch mehr als die Hälfte der einst 700 Ständer wieder eingeholt.

Für die „Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes“ müssen die Parteien Gebühren ans Stadtamt entrichten. Ein DIN-A-0-Plakat kostet für einen Zeitraum von weniger als 30 Tagen pro 100 Stück immerhin 160 Mark. Kein Wunder, daß die Parteien bei der Gestaltung zumeist auf Bordmittel zurückgreifen und das Layout selbst übernehmen. Nur wenn die CDU Bundesparteitag hat oder die grüne Gunda Röstel kommt, werden die Bremer-Innen mit Gestaltung aus Werbeagenturen beglückt, die die Parteizentralen aus Bonn schicken.

Joachim Fahrun