Der Papst durchs Schlüsselloch betrachtet

■ Hansjakob Stehle, der erste Sommergast im Journal „zettBeh“ von Radio Bremen, räumte mit Vorurteilen über den Vatikan auf – und setzte dafür andere in die Welt

Salami, schinkenumhüllte Melonen, Sellerie und Käse, dazu auch noch französisches (!) Baguette: Ach ne, sowas haut sich in Italien kein Schwein zum Frühstück rein. Allenfalls italienreisende TeutonInnen, denen fehlendes Gottvertrauen allmorgendlich gleich nach dem Austausch der Schlafanzug- gegen die Badehose Berge an Nahrungsmitteln hineintreibt. Es könnte ja schließlich die letzte Mahlzeit sein... . Nur solche TeutonInnen konnten dem „landesüblichen“ Frühstück im Foyer der Schauburg etwas abgewinnen. Aber letztendlich liegt Bremen nördlich der Alpen. Insofern war das Frühstück, für die hiesigen Gewohnheiten modifiziert, in Ordnung und mundete ganz offensichtlich den meisten BesucherInnen, die Hansjakob Stehle live erleben wollten.

„Was macht der Papst um 10.07 Uhr?" wurde der erste „zettBeh“-Sommergast gleich zu Beginn vom zumeist amüsanten Radio-Bremen-Moderator Bernhard Gleim gefragt. Der Gleim, der weiß halt, was man wissen will vom tattrigsten Promi der Welt. Sitzt der Papst auch mit beiden Pobacken auf der Klobrille, popelt er wie wir Normalos mit dem Zeigefinger im heiligen Zinken – all diese fraglos wichtigen Details wurden an diesem Vormittag zwar nicht erhellt. Aber vom intimen Vatikankenner und Journalisten Stehle erfuhr das sensationshungrige Radiovolk immerhin, daß der heilige Vater um 10.07 Uhr zu beten pflegt und sich, wenn er des morgens tropfnaß aus der Badewanne steigt, von seinem polnischen Sekretär das Handtuch reichen läßt.

Ansonsten aber barg das Interview mit Stehle so manche Enttäuschung. Weder die lang gehegte Vermutung, daß in jedem Winkel des Vatikans geißelnde Mönche ihren bizarren Vergnügungen nachgehen, noch daß Heerscharen an ergebenen Nonnen permanent damit beschäftigt sind, dem Stellvertreter Christi auf Erden Kamillenteee zu bereiten, wollte Stehle bestätigen. Der Vatikan ist auch nicht stinkreich – sein Gesamtetat liegt laut Stehle „etwas unter dem des WDR“. Und sein dunkler Einfluß auf die Parteizentralen deutscher ChristdemokratInnen ist dermaßen dunkel, daß er, glaubt man Stehle, geradezu unsichtbar ist. „Es gibt ihn schlichtweg nicht.“

Nach 11 Uhr dann, zwei Stunden schon plauderten die Herren zwischen Paolo-Conte-Intermezzi und vor sich hinwelkendem Radicchioblättern, fiel im Foyer der Schauburg parallel zu den Jacketts von Gleim und Stehle das Niveau der Sendung. Es folgte ein wenig Landeskunde aus dem berufenen Munde eines höflich-spröden Historikers, der die Aura eines Menschen versprühte, dem bereits der Anblick eines verlockenden feurig heißen Cappuccino die Schamesröte ins Gesicht zu treiben vermag. ItalienerInnen, schleuderte Stehle mit bonmots um sich, pflegen ihre Rechnungen generell zwei Jahre lang nicht zu bezahlen.

Rom versinkt im Chaos aus Autoverkehr und Kriminellen. Und das Lotterleben im Vatikan ist der hohen Anzahl italienischer Geistlicher geschuldet, die gegen die Verlockungen des Fleischlichen einfach nicht resistent genug seien. Kurzum: Stehles Synonym für drunter und drüber lautete „typisch italienisch“. Sowas loben wir uns, Herr Stehle: Seit Jahrzehnten apulischen Rotwein zwitschern, aber wenns drum geht, die Schöpfer derartiger Köstlichkeiten zu huldigen, wird munter die teutonische Rute geschwungen.

Erst mit der Frage nach dem ominösen Schicksal von Johannes Paul I, Woytilas nach wenigen Wochen verstorbenem Vorgänger, erklomm vor allem Modereator Gleim wieder journalistische Höchstgipfel. Er sei nicht, wie viele noch immer mutmaßen, ermordet worden, sagte Stehle. Sondern einfach so entschlummert. Die Nonnen fanden ihn also, übersetzte Gleim in die Vorstellungswelt eines Normalsterblichen, „tot in seinem Bett wie einen Rentner in Huckelriede“.

Wow! Die Probleme der Welt so aufbereiten, daß die kleine Frau und ihr Mann es verstehen. Brillanter Lokaljournalismus, den sogar der Rentner aus Huckelriede versteht. Na gut, der vielleicht nicht mehr. Wieder 'ne Frage, die nur der unfehlbare Papst beantworten könnte. Gleim, übernehmen sie!

Franco Zotta

Der nächste Sommergast in der Schauburg: Irlandspezialist Martin Alioth (4. Juli, 9-12 Uhr)