Sind Sie beschäftigt?
: „Ich will arbeiten, solange ich lebe“

■ Der 63jährige Achmed Tecimen hat einen Schuhputzstand im Europa-Center. Er ist überzeugt, daß viele nicht arbeiten wollen. „Es gibt genug Arbeit, man muß nur suchen“

In Berlin gibt es 290.000 Arbeitslose, nur vierzig Prozent leben von Erwerbsarbeit. Doch auch wer keinen Arbeitgeber hat, ist nicht ohne Arbeit. Die taz fragt deshalb: „Sind Sie beschäftigt?“

Der 63jährige Achmed Tecimen: Ich bin schon Rentner. Aber ich arbeite trotzdem, weil ich jung bleiben will. 25 Jahre lang habe ich Polstermöbel gemacht. Dann war ich in einer Textilfirma, die 1992 dichtgemacht hat. Die haben uns mit Abfindungen ohne Ärger ausgezahlt. Dann war ich zwei Jahre arbeitslos. Der Mann, der vorher den Schuhputzstand hatte, den kannte ich gut. Als der gestorben ist, habe ich das gemacht. Ich dachte, ich kann das, weil ich gelernter Schuhmacher

bin. Ich sitze jeden Tag hier von 9 bis etwa 16 Uhr, ob Leute kommen oder nicht. Im Moment sind es wenige, weil Sommer ist und alle barfuß rumlaufen. Aber ich bin hier unter Menschen. Wenn sie kommen, ist es gut, wenn nicht, dann nicht. Das ist besser als Kneipe und Saufen.

Ich habe schon mit etwa 12 Jahren angefangen zu arbeiten. Das war in der Türkei. Wir hatten ein eigenes Schuhgeschäft gehabt. So lange ich lebe, will ich arbeiten. Nach der Arbeit gehe ich nach Hause und mache die Küche und die Wohnung. Ich habe eine sehr schöne Wohnung, schöne Gegend, gute Bekannte und Freunde. Ich kriege meine Zeit schon hin. Dann gehe ich gerne spazieren und Bier trinken. Ich laufe gerne zu Fuß, nicht rennen, aber ich laufe zehn bis zwanzig Kilometer.

Zu viele Leute gehen in Deutschland zum Sozialamt und holen Geld. Es gibt genug Arbeit, man muß nur suchen. Die Arbeitslosen sollen nicht rumsitzen und Vater Staat Scheiße erzählen. Und für Bier ist dann Geld da. Ich kenne so viele Deutsche, die in der Kneipe den Ausweis als Pfand dalassen. Das ist doch eine Sauerei oder nicht? Viele Leute wollen einfach nicht für zehn Mark arbeiten, sondern für zwanzig. Das Wichtigste ist doch, daß sie überhaupt Geld verdienen, oder nicht? Barbara Bollwahn

wird fortgesetzt