Drei unterschiedliche Gnadenfristen für 19 deutsche Atomkraftwerke

Die Atomkraftwerke Biblis A, Stade und Obrigheim würde es in jedem Fall zuerst treffen. Binnen Jahresfrist müßten diese schon mehr als 25 Jahre alten Reaktoren abgeschaltet werden, wenn denn die Grünen nach der Bundestagswahl tatsächlich ihr „Atomausstiegsgesetz“ im Verein mit der SPD zuwege bringen. Kernstück des Grünen-weit abgestimmten und bisher nur in Teilen veröffentlichten Gesetzentwurfs sind drei Abschaltfristen, die den Reaktoren gesetzt werden.

Zunächst geht der Entwurf – an dem neben Juristen auch Vertreter des Darmstädter Öko-Instituts mitarbeiteten – von einer Höchstlebensdauer von 25 Jahren für alle Atomkraftwerke aus. Allein mit einer solchen Befristung würden allerdings die jüngeren unter den Atomkraftwerken nach den Worten des hessischen Umweltstaatssekretärs Rainer Baake „noch viele Jahre weiterlaufen“. Dies würde zu einem nicht hinnehmbaren Restrisiko führen. Auch wegen „der völlig ungelösten Entsorgungsfrage“ sind für Baake derartige Fristen für die Restlaufzeiten nicht akzeptabel.

„Eine chemische Anlage, bei der die Entsorgung derart ungesichert wäre, müßten wir nach der gegenwärtigen Rechtslage schließen“, sagt der Umweltstaatssekretär. Deswegen enthält sein Ausstiegsgesetz eine zweite Abschaltfrist, nach der spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes alle 19 bundesdeutschen Reaktoren für immer vom Netz sein müssen.

Die dritte Frist ergibt sich aus verfassungrechtlichen Gründen: Erst nach einer Karenzzeit von einem Jahr, ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, müssen die Betreiber mit dem Abschalten beginnen.

Gerade diese Abschaltfristen waren und sind in der innerparteilichen Debatte der Bündnisgrünen heftig umstritten. Die Fünf- Jahres-Frist, die sozusagen zwischen der berechtigten Forderung der Anti-AKW-Bürgerinitiativen nach dem Sofortausstieg und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermitteln soll, hat Baake erst nachträglich in seinen Entwurf aufgenommen.

Der atompolitischen Sprecherin des Grünen-Bundestagsfraktion, Ursula Schönberger, geht der Ausstieg dennoch noch nicht schnell genug. Schönberger will die Höchstbetriebsdauer auf nur 20 Jahre verkürzt sehen. „Dann würden in der ersten rot-grünen Legislaturperiode zehn und in der zweiten neun Reaktoren abgeschaltet“, sagt die Bundestagsabgeordnete aus Braunschweig und sieht dabei auch eine „bessere regionale Verteilung“.