Schatten und sie

■ Recht kalt lassend: Kleists „Feuerprobe“ beim „Die Wüste lebt!“-Festival

Graf Wetter vom Strahl hat ein Los zu tragen, um das nur die Unwissenden ihn beneiden. Ein schönes Mädchen folgt ihm wie ein Hund. „Wenn ich mich umblicke sehe ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie,“ klagt der Graf, der das liebende Käthchen endlich wieder loswerden will, an der Grenze zur Verzweiflung. Immerhin das Gericht hat ein Einsehen, und der Vater, der den Grafen der Verhexung seiner einst vernünftigen Tochter anklagt, wird abgewiesen. Auch wenn es unbegreiflich ist: Das Mädchen, das sich vor dem Mann in den Staub wirft, tut dies aus freien Stücken.

René Harder hat Kleists Käthchen von Heilbronn kräftig zusammengestrichen und zeigt seine Version des Dramas um träumerische Eingaben und die somnambule Sicherheit wahrer Hingabe unter dessen Untertitel Die Feuerprobe. Leider hat er sich nicht entschieden, die alte Geschichte neu zu erzählen, sondern schlingert unentschlossen zwischen Mittelalter, wo Kleist die Geschichte 1810 ansiedelte, und unmotiviert wirkender Aktualisierung. Abgesehen davon, daß die Versatzstücke nicht recht zusammenpassen, wollen auch beide für sich genommen nicht recht funktionieren: Daß das Käthchen als verkörperte Unschuld mal wieder im kurzen Hängerkleidchen und barfuß über die Bühne hüpfen muß, ist genauso peinlich wie die Softpornos lesende, vollbusig ins Krankenschwester-Outfit gepreßte Kunigunde, die Harder zu allem Überfluß in vierfacher plakativer Ausführung säuseln läßt. Auch vereinzelte Comic-Choreographien und Drum'n'Bass-Einspielungen können nicht übertönen, daß die meisten der Darsteller dem Versmaß Kleists nicht gewachsen sind. Sarah Bürgin (Käthchen) und Dietmar Pröll (Graf) sind es und spielen gut, doch läßt ihre, hier weniger spirituelle als undefinierte, Beziehung einfach kalt. Christiane Kühl