Veruntreuung im Bezirksamt Tempelhof

■ Verfahren gegen drei Amtsmitarbeiter: Sie sollen sich fast eine halbe Million Mark in die eigene Tasche gezahlt haben. Weiterer Angestellter betrog entmündigte Bürger. Demnächst Anklage gegen Beamten,

Gegen drei Mitarbeiter des Bezirksamtes Tempelhof laufen derzeit Strafanzeigen wegen Untreue. Ihnen wird vorgeworfen, fast eine halbe Million Mark veruntreut zu haben. Nach Angaben des Leiters des Rechtsamtes, Volker Claus, sollen sich zwei Beamte und ein Angestellter vom Sozialamt und aus dem Bereich Jugend und Sport unzulässig bereichert haben. Die drei sollen sich im vergangenen und in diesem Jahr 220.000, 165.000 und 60.000 in die eigene Tasche gesteckt haben. In etwa zwei Wochen wird Anklage gegen den geständigen Beamten erhoben, der 220.000 Mark veruntreut hat, sagte gestern Justizsprecher Matthias Rebentisch. Die fingierten Überweisungen waren durch die Aufmerksamkeit einer Mitarbeiterin der Kasse im Sozialamt aufgeflogen.

Dem Beamten Volker R., der mittlerweile auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausgeschieden ist, wird vorgeworfen, zwischen Januar und August 1997 durch eine Vielzahl von Überweisungen an erfundene Personen 220.000 Mark veruntreut zu haben. Er hat ihnen Aktenzeichen, Anschrift und Geburtsdatum zugeordnet. Der Strafrahmen dafür sieht Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor.

Die polizeilichen Ermittlungen in den beiden anderen Fällen sind noch nicht abgeschlossen. Dem Angestellten, dessen Veruntreuung in Höhe von etwa 60.000 Mark im Mai dieses Jahres aufgeflogen war, wurde gekündigt. Der Beamte, der sich um etwa 165.000 Mark bereichert haben soll, ist derzeit beurlaubt. Nach Angaben von Rechtsamtsleiter Claus laufen weitere Strafanzeigen gegen Außenstehende, die die Baranweisungen abgeholt haben sollen. Außerdem gebe es ein disziplinar- und strafrechtliches Verfahren gegen einen derzeit beurlaubten Beamten, der Gelder von entmündigten Bürgern verwaltete und sich zur Finanzierung seiner Spielsucht von den Konten seiner Schützlinge bedient haben soll. Die Summe, die er bereits zurückgezahlt hat, sei im Vergleich zu den anderen Fällen „nicht nennenswert“.

Schulden gab auch der Beamte Volker R. als Grund für seine illegalen Machenschaften an. Er arbeitete seit 1994 beim Sozialamt Tempelhof und galt als äußerst zuverlässig. Gesundheitsstadtrat Detlef Schmidt (CDU) sagte in einer Bezirksverordnetenversammlung wenige Wochen nach Aufdeckung des Falls, daß der Mitarbeiter „mit besten Zeugnissen vom Arbeitsamt“ kam. Er sei „durch gute Leistungen, freundliches Wesen und einen immer aufgeräumten Schreibtisch“ aufgefallen. Der Beamte habe durch „besondere kriminelle Energie und Geschicklichkeit“ eine „gemeine Untreue“ begangen. Doch bei etwa 11.000 Sozialhilfeempfängern und bis zu 5.000 Barauszahlungen im Monat sei eine Kontrolle nur stichprobenhaft möglich.

Trotz seiner klaren Worte weigert sich Stadtrat Schmidt, die behördeninternen Betrugsfälle durch einen Sonderausschuß aufzuklären. Die SPD-Fraktion hatte in der vergangenen Woche, unterstützt von den Grünen, die Einrichtung eines solchen Ausschusses beantragt. Stadtrat Schmidt lehnte dies ab und thematisierte statt dessen „abzockende Sozialschmarotzer“. Zu einer Stellungnahme war er nicht zu erreichen.

Rechtsamtsleiter Claus bezweifelt die Erfolgsaussichten eines solchen Ausschusses. Es sei ein „Trugschluß“ zu glauben, daß Mißbrauch im Vorfeld zu verhindern sei. Die Aussichten, die veruntreuten Gelder zurückzuerhalten, seien „sehr gering“. Im Fall Volker R. wurden bisher nach Pfändung seines Kontos und Autos lediglich 30.000 Mark zurückgezahlt. Generell gilt bei Fehlbeträgen, daß der Bezirk zehn Prozent und das Land Berlin 90 Prozent übernehmen.

Die Amtsleiterin des Sozialamtes Tempelhof sagte gegenüber der taz, daß es bereits seit dem vergangenen Jahr neue Arbeitsanweisungen für Auszahlungen gebe. Seitdem müsse an der Kasse auch bei Vollmachten der Personalausweis vorgelegt werden. Doch letztendlich könne die Behörde nur „reagieren“. Denn: „Wir müssen unseren Mitarbeitern vertrauen.“ Doch neue Mitarbeiter könnten möglicherweise „neue Tricks“ anwenden. Barbara Bollwahn