■ Stollmann: Warum politische Seiteneinsteiger selten erfolgreich sind
: Die Mühen der Ebene

Nein, nicht schon wieder ein politischer Seiteneinsteiger! Fast alle sind bisher gescheitert – und nicht aus Zufall. Leussink, ein glänzender Wissenschaftsmanager, war als Wissenschaftsminister im Kabinett Brandt völlig isoliert und vermochte nichts durchzusetzen. Rudolf Augstein, brillanter Essayist, Journalist und Verleger, resignierte nach wenigen Monaten im Bundestag, weil er offensichtlich nichts bewegen konnte. Ralf Dahrendorf, Vordenker der Liberalen, der nach Bonn gekommen war, um einmal Bundeskanzler zu werden, gab nach einigen Jahren enttäuscht auf. Und jetzt Jost Stollmann – künftiger Wirtschaftsminister unter Gerhard Schröder?

Er paßt hervorragend in die sozialdemokratische Wahlkampfstrategie und verkörpert das Image von „Innovation“. Stollmann will Bewegung in die Politik bringen und beschwört das Positive. Er will Signale setzen. Die Deutschen, so der Minster in spe im Spiegel, sollen endlich in die Zukunft aufbrechen, die Menschen begeistert ihre Fesseln wegwerfen. Mit Schwung, unkonventionell polemisiert Stollmann gegen alte Denke, gegen alte Politik.

Doch in der Politik geht nichts mit Hauruckverfahren. Anders als in einem Unternehmen der Manager kann der Politiker nicht einfach Anweisungen geben. Die Kunst und das Alltagsgeschäft des Politikers bestehen vielmehr darin, Menschen zu überzeugen, immer wieder und wieder die Ministerialbürokratie, die Fraktion, den Arbeitskreis, die Arbeitsgruppe, den Unterbezirk und den Landesverband, den Parteivorstand und den Fachausschuß, schließlich die Mehrheit im Bundestag zu bearbeiten und hinter sich zu bekommen.

Und all dies geschieht in formellen Sitzungen, muß aber informell am Telefon und in der Kneipe vorbereitet werden. Die Profession des Politikers besteht darin, Kompromisse auszuhandeln, Konsens herzustellen, Koalitionen aus divergierenden Interessen, Gruppen und innerparteilichen Fraktionen zu schmieden. Er braucht die Kondition, Ausdauer und Beharrlichkeit des Marathonläufers. Sonst wird er eher früher als später aufgeben.

Fast alle Seiteneinsteiger sind bisher daran gescheitert. Es mangelte genau hieran. Wird Jost Stollmann es packen? Peter Lösche

Professor für Politikwissenschaften an der Uni Göttingen