„Wir packen's, weil es in Bayern jedem gutgeht“

■ Die Irritationen ihrer Partei-Großkopferten lassen die Basis der CSU kalt. Im oberbayerischen Wildbad Kreuth, dem Symbol für Streit in der Union, herrscht 90prozentige Siegeszuversicht

Nürnberg (taz) – Die christlich- sozialen Mannen im Tegernseer Land kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. In München reden sich ihre CSU-Großkopferten zum Wahlkampfauftakt die Köpfe heiß, ob die Schwarzen den bislang stets als „Versager“ titulierten Gerhard Schröder tolerieren sollten. Unten an der Basis, im oberbayerischen Kreuth, reagiert man dagegen bestenfalls mit Achselzucken. Die Siegeszuversicht bleibt unberührt. „Wir packen's wieder“, ist sich CSU-Bürgermeister Sepp Hatzl mit dem CSU- Ortsvorsitzenden Josef Bierschneider mit Blick auf die Wahlen einig.

Seit 1976 ist „Kreuth“ mehr als nur ein Ortsname. Kreuth ist das geflügelte Wort für Zwistigkeiten innerhalb der Union. Damals, noch unter der Ägide des seligen Franz Josef Strauß, kündigte die CSU ihrer Schwester CDU die Gefolgschaft und wollte fortan allein auf Stimmenfang gehen. Der Druck der Basis und die Drohung der Christdemokraten, mit einem eigenen Landesverband in Bayern einzumarschieren, ließ die CSU bereits nach drei Wochen wieder reumütig umkehren. Seitdem weht alljährlich während der Klausurtagungen im Wildbad der „Geist von Kreuth“ durch die Republik, wenn die CSU sich scharf gibt bei Sozialabbau, Innerer Sicherheit oder Ausländerpolitik.

Schon damals, 1976, saß der gelernte Zimmerer Hatzl für die Schwarzen im Gemeinderat. Zehn Jahre später wurde er 1986 zum Bürgermeister der 3.600-Einwohner-Gemeinde gewählt. Seitdem darf er bei den Klausurtagungen im Domizil der Hanns-Seidel-Stiftung dem Ministerpräsidenten die Hand schütteln. Den Stoiber Edmund lobt der Hatzl Sepp über den grünen Klee: „Den brauchen wir in Bayern dringend, den geben wir nicht her, nicht einmal zum Kanzler.“ Obwohl Hatzl „ganz privat“ eine Große Koalition befürworten würde, will er sich mit den Äußerungen von CSU-Generalsekretär Protzner nicht beschäftigen: „In die große Politik misch' ich mich nicht ein“, sagt er und dann prinzipiell: „Stoiber macht das schon.“

Und Stoiber machte das auch. „Dummes Zeug“, maßregelte er seinen Generalsekretär. Der ruderte pflichtschuldig zurück, setzt nun wieder brav „auf Sieg und nicht auf Platz“. Daß nun der Nürnberger Landtagsabgeordnete Markus Söder, der auch kein Fettnäpfchen auslassen kann, als künftiger Generalsekretär gehandelt wird, zeigt, daß die Uhr für Protzner spätestens im Herbst abgelaufen ist.

Das eint Hatzl und Protzner. Am Landtagswahltermin wird in Kreuth ein neuer Bürgermeister gewählt. Hatzl, zuletzt mit 97 Prozent der Stimmen gewählt, ist mit seinen 67 Jahren dann zu alt. Josef Bierschneider wird für die CSU antreten. Der 26jährige Jurastudent wird im Herbst einer der jüngsten Bürgermeister des Freistaats sein. „Wir sind ein richtig schwarzer Flecken“, freut sich Bierschneider, schließlich hat die CSU in Kreuth bei den letzten Landtagswahlen satte 71,9 Prozent eingeheimst, die SPD landete abgeschlagen bei 13,7 Prozent.

„Wir kriegen 50 Prozent plus X, wie immer, und der Kohl schafft es auch wieder“, tönt Bierschneider, der als 18jähriger in die CSU eintrat und seit einem Jahr den Ortsvorsitz innehat. „Warum soll man ändern, was sich bewährt hat?“ fragt er rhetorisch. „Stoiber ist der Beste.“ Nicht einmal ein Amigo- Skandal um den örtlichen CSU- Bundestagskandidaten könne der Partei schaden. Nach einem dubiosen Insider-Grundstücksgeschäft kam Marinus Dießl einem Ultimatum der CSU-Oberen nach und warf als Bundestagskandidat das Handtuch. Eine Nachfolgerin ist schon gefunden. „Das Thema ist damit abgehakt, jetzt geht es wieder weiter“, ist Bierschneider froh, daß seine Partei zumindest in den örtlichen Heimatzeitungen wieder aus den Schlagzeilen heraus ist. Überregional wird Protzner schon für neue sorgen, schwant dem CSU-Senkrechtstarter aus Kreuth.

Beim Wahlkampfauftakt am Wochenende in der Münchner Messe, als 5.000 im Stakkato „Theo! Edmund! CSU!“ riefen, war Bierschneider dabei und „restlos begeistert“. Im Ortsbild von Kreuth ist dagegen noch nichts zu sehen vom Wahlkampf. Erst vier Wochen vor der Wahl dürfen die Plakate mit dem grinsenden Ministerpräsidenten und dem Slogan „Schön, in Bayern zu leben – CSU“ hängen. „In Bayern geht es doch jedem gut“, findet Sepp Hatzl dieses Motto für angemessen. Schließlich lassen 240.000 Übernachtungen im Jahr zumindest in der „Perle des Tegernseer Tales“ (Hatzl) die Kassen klingeln. Bernd Siegler