Analyse
: Dax auf Rekordjagd

■ Asienkrise und Rubel helfen

Bis Ende 1998 steigt der Dax auf mehr als 4.000 Punkte“, schätzte vor zwei Jahren die Dresdner Bank. Falsch geraten, tatsächlich peilt der Deutsche Aktienindex Dax heute schon einen Wert von 6.000 Punkten an. Und hätten nicht einige heikle Worte des Vorstands den Veba-Kurs um 7 Prozent gedrückt, wäre wohl schon gestern die magische Zahlengrenze passiert worden. Mitschuld trägt paradoxerweise das heftige Kriseln vieler Finanzmärkte: In Japan steht die Hälfte der Banken vor der Pleite, in den ostasiatischen Tigerstaaten setzt sich die Finanzkrise unbeirrt fort, in Rußland rollt der Rubel immer weiter abwärts, und an der Börse von Buenos Aires sackte der Aktienindex Merval zuletzt von 571 auf 542 Punkte ab. Irrational hatte der Dax-Siegeszug schon im vergangenen Jahr gewirkt: Von 2.889 Punkten ausgehend, explodierte er förmlich, um Sylvester auf der damaligen Rekordmarke von 4.250 zu landen – ein Gewinn von mehr als 47 Prozent in nur einem Jahr. Seitdem hat der Dax nochmals ein Plus von über 35 Prozent geschafft.

Zwei Fundamentaldaten treiben die hiesigen Aktien in immer neue Rauschzustände. Insbesondere wird durch den gigantischen Geldüberhang im In- und Ausland fortlaufend neues Kapital herbeigeführt. Dazu tragen die Sparleidenschaft der Bürger in den Industriestaaten, aufgeblasene Spekulationsgewinne aus der Vergangenheit sowie prima Profite vieler Konzerne bei. Dagegen steht der Mangel an Investitionsmöglichkeiten in der Realwirtschaft, aufgrund fehlender Nachfrage. Geradezu notgedrungen fließen daher weitere Milliarden Dollar, D-Mark und Yen auf die führenden Aktienmärkte. Die international niedrigen Zinssätze sind das zweite Fundamentaldata. Fast überall sinken die Zinsen, in Japan pendeln sie um die Ein-Prozent-Marke, und diese Zinsebbe beschert den Börsen weitere Finanzfluten – denn wer will schon sein Erspartes oder Gewonnenes für 1, 2 oder 3 Prozent per Anno anlegen?

In diese Aktien-Traumwelt platzt nun die asiatische Finanzkrise und schwemmt weitere Milliarden an: Schon im zweiten Halbjahr 1997 flossen netto 108 Milliarden US-Dollar aus Asien ab. Danach hat der Absturz der russischen Aktienkurse und dann das japanische Finanzdesaster die Spekulanten und Investoren zur Flucht nach Frankfurt oder New York getrieben. Hoch im Kurs stehen sichere US-Staatspapiere oder lukrative deutsche Aktien, wie die dreißig Werte im Dax. Sie repräsentieren zusammen mehr als 70 Prozent des gesamten Grundkapitals inländischer börsennotierter Gesellschaften. Und den meisten dieser deutschen Multis werden für die Zukunft opulente Gewinne prognostiziert. Hilfreich sind dabei erhebliche Rationalisierungsanstrengungen seit Mitte der neunziger Jahre und der radikale Abbau von Arbeitsplätzen. Börsianer freut so etwas. Hermannus Pfeiffer