Der sympathische ältere Bruder

■ Nach diversen mißratenen Projekten kommt der Altsaxophonist Branford Marsalis mit seinem Weggefährten Kenny Kirkland

Branford Marsalis ist nicht nur der älteste und sympathischste der Marsalis-Brüder, er ist auch der glückloseste. Schon bei seinem Einstieg in die große, bunte Welt des Jazz, als Altsaxophonist in Art Blakey's Jazz Messengers, stand er im Schatten seines ein gutes Jahr jüngeren Bruders Wynton. Den priesen die Kritiker, den lud Herbie Hancock in seine Band, der bekam einen für Jazz-Verhältnisse obszön hoch dotierten Plattenvertrag als Solist, und nahm gnädigerweise seinen älteren Bruder als Bandmitglied auf. Um sich freizuschwimmen, begann Branford seine Offenheit und Modernität zu demonstrieren, wo doch seinem Bruder stets Konservatismus und Rigidität vorgeworfen wurden. Aber mußte es von allen denkbaren Pop-Musikern ausgerechnet Sting sein, bei dem er einstieg?

Weitere danebengegangene Projekte: ein Klassik-Album namens Romances For Saxophone, die Zeit als Band-Leader in der täglichen Talk-Show von Jay Leno, dieses „very unfunny man“ (Brian Eno), zwei HipHop-Jazz-Versuche unter dem Projektnamen Buckshot LeFonque, Jahre nach Gang Starr, ohne rechtes Konzept und irgendwie un-funky. Dazwischen lagen Solo-Platten, auf denen seine Brillanz zwar jedesmal offen zu Tage trat, die aber trotzdem nie hundertprozentig überzeugten, und wahllose Jam Sessions mit jeder dahergelaufenen mittelmäßigen Rock-Band – aber auch mit Grateful Dead.

Die diesjährige Tour gibt trotzdem zu hohen Erwartungen Anlaß. Schließlich ist Branford mit jenen exzellenten Musikern unterwegs, die vor anderthalb Dekaden den Ruhm der Marsalis-Brüder mitbegründeten. Kenny Kirkland (Piano), Reginald Veal (Baß) und Jeff „Tain“ Watts (Schlagzeug). Gerade die Anwesenheit von Kirkland macht Hoffnungen auf einen spannenden Abend, denn weder im Trio nur mit Veal und Watts, noch in der erweiterten Besetzung mit seinem Vater Ellis Marsalis am Piano konnte Branford zuletzt ganz überzeugen.

Wenn er in der Vergangenheit zur Höchstform aufgelaufen war, hatte er meistens Kenny Kirkland im Rücken gehabt, der ähnlich wie Branford Marsalis zwar einer der brillantesten Jazzer der Post-Jazz-Rock-Generation ist, mit seinen eigenen Projekten jedoch noch nie so richtig Glück hatte. Es wäre an der Zeit, daß die beiden ihr ganzes Potential wieder einmal ganz ausspielen.

Detlef Diederichsen Fr, 3. Juli, 20 Uhr, Fabrik