Die Kurzen sind auch nicht zu verachten

■ Während der Kurzfilmtage im Kino 46 gibt es bis Sonntag lange Kurzfilme, Shadocks & Gibus

Man weiß ja um das Elend der Kurzfilme. Im Kino ist zwischen den gut bezahlten Werbespots kein Platz für sie. Im Fernsehen sind sie in die ganz späten Programmschienen verbannt. Und so bekommt sie kaum einer zu sehen, auch wenn sie noch so schön sind!

Man kann das Kino 46 gar nicht genug dafür loben, daß es vor seinen Filmen in der Regel jeweils den „Kurzfilm des Monats“ zeigt. Und damit nicht genug: In den nächsten Tagen werden dort schon zum dritten Mal „Kurzfilmtage“ veranstaltet – mit einer geballten Ladung von Filmen, die anders wohl nie in Bremer Kinos zu sehen gewesen wären. Zum Beispiel, weil sie paradoxerweise zu lang sind. Einige der ambitioniertesten und originellsten „Kurz“-Filme eignen sich mit einer Länge von 10 bis 30 Minuten nicht als kleine Appetitanreger vor den Hauptfilmen. Und fünf von diesen „long shorts“ werden am Donnerstag um 20.30 Uhr unter dem Titel „You'll Never Walk Alone“ gezeigt.

In diesem Programm kann man beispielhaft die Stärken und auch einige Schwächen des Formats erkennen. Der holländische Film „The Oath“ zeigt, wie man sehr konzentriert eine Kurzgeschichte mit einem genau kalkulierten Effekt filmisch stimmig erzählen kann. Ein Arzt reanimiert einen Häftling nach dessen Selbstmordversuch. Und direkt nachdem dieser wieder alle seine Kräfte beisammen hat, wird er auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Das wird in kargen schwarzweißen Bildern gezeigt; der Blick des Opfers in die Augen des Arztes ist der Brennpunkt des Films. Seine Lakonie läßt einen frösteln.

Man kann aber auch so viele durchgeknallte Ideen wie nur möglich in einen Film packen. So funktioniert der spanische Film „El Secdleto de la Tlompeta“, der ständig nur erzählerische Haken schlägt, und genau dann, wenn das zu nerven beginnt, hört er auch schon auf. In dem Animationsfilm „Flatworld“ werden zwei Ideen konsequent und mit originellem Witz bis zu den Grenzen der Logik ausgespielt. Die Figuren existieren in einer flachen Welt aus Pappe und können sich selber mit einer Fernbedienung in verschiedene TV-Welten einschalten.

Der zweite Höhepunkt des Programms ist eindeutig die Ausgrabung der französischen Comic-Serie „Les Shadoks“, die am Samstag um 22.30 Uhr gezeigt wird. Die Shadoks sind nicht viel mehr als außerirdische Strichmännchen, die zwischen 1968 und 1974 im französischen Fernsehen in Fünf-Minuten-Episoden zusammen mit ihren Gegnern, den Gibus, zuerst auf ihren eigenen Planeten und dann auf der Erde bizarre Abenteuer erlebten. Die Machart war so primitiv und billig wie nur möglich. Aber die Ideen des Zeichners Jaques Rouxel waren so abgedreht und komisch, daß die Serie bei den Franzosen einen ähnlichen Kultstatus erreichte wie die „Raumpatrouille Orion“ in Deutschland. In Bremen wird eine etwa zwei Stunden lange Auswahl von den 416 Episoden der Serie gezeigt – der Geheimtip der gesamten Kinowoche!

Ein bißchen haben die VeranstalterInnen schließlich doch geschummelt. Denn die beiden Mangas „Fist of the North Star“ und „Roujin“ haben mit 110 bzw 80 Minuten Spielzeit nichts in „Kurzfilmtagen“ verloren. Aber wenn diese typisch japanischen Zeichentrickfilme mit „übermächtigen Mutanten, gesetzlosen Bikern und Super-Robots und greisen Hackern“ auch nur annähernd so unterhaltsam größenwahnsinnig daherkommen wie der Klassiker des Genres „Akira“, muß man dem Kino 46 erneut dankbar dafür sein, sie ins Kino zu bringen. Denn japanische Animationsfilme sind dort ebenso selten zu finden wie Kurzfilme. So passen sie doch ins Konzept. Wilfried Hippen

Zeiten und Kurzangaben zu allen Programmen siehe kinotaz