Musik im Sinne des Sozialismus

■ Am Freitag beginnen die Eisler-Tage mit Diskussionen, Konzerten und Gelage

Das am Freitag beginnende zweite Festival zum hundertsten Geburtstag von Hans Eisler geht sein Thema anders an als das erste, das im Februar stattfand. Die Deutsche Kammerphilharmonie versuchte sich damals mit Filmen, Workshops und natürlich vor allem mit Konzerten dem nach wie vor umstrittenen Komponisten zu nähern.

Die anstehenden dreitägigen „Hanns Eisler-Tage“, die im Haus im Park und im Kulturzentrum Schlachthof stattfinden werden, behandeln zwar ähnliches, aber unter gänzlich anderen Voraussetzungen. Denn die gemeinsamen Organisatoren Universität (Susanne Gläß und Andreas Lieberg) und Haus im Park (Stephan Uhlig und Hartmut Emig) müssen und wollen zu großen Teilen von der hochprofessionellen Präsentation der Musik Abstand nehmen. Sicher ist dies auch im Sinne von Hanns Eisler selbst: „Wer nur etwas von Musik versteht, der versteht auch von der nichts“, sagte er einst. Im Zentrum steht deswegen eine facettenreiche theoretische Annäherung an Eislers Werk mittels Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Gesprächen bis hin zu einem Gelage mit Festrede.

Vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der westlichen und östlichen Ideologien hat sich keine ästhetische Position in diesem Jahrhundert so verändert wie die von Hanns Eisler, dessen Werk an den marxistischen Fortschrittsglauben geknüpft ist. Welchen politischen und/oder ästhetischen Stellenwert hat sein Werk heute?

Der Schüler von Arnold Schönberg hatte sich nach früher Auseinandersetzung mit der Zwölftontechnik für eine einfache kämpferische Musik im Sinne des Sozialismus entschieden, gab dem „Gebrauchswert“ der Musik den Vorrang gegenüber dem Materialdenken. Am Ende seines Lebens jedoch – 1962 – meinte er, das Schweigen sei nun angemessener. Letzteres ist nun eine ästhetische Position, die erst in der Musik der achtziger Jahre wieder aktuell wurde.

Kein geringerer als Ernst Bloch hat ihn „Anima candidissima“ genannt und stets seinen Mut gegenüber den DDR-Schergen gerühmt. Picasso und Charlie Chaplin liebten seine Musik. Und auch wenn es die Klassen im damaligen Sinne nicht mehr gibt – es gibt sie andererseits mehr denn je – , was könnte denn eigentlich aktueller sein, als diese Welt verändern zu wollen?

1930 hatte Eisler gesagt: „Eine Veränderung der Produktionsmethoden, eine Veränderung der Klassenstruktur bewirkt auch eine Veränderung der Organisationsmethoden der Töne“.

Anhand des im amerikanischen Exil (1935-1948) entstandenen „Hollywooder Liederbuchs“ (1942-1943), seines letzten Zyklusses „Ernste Gesänge“ (1962) – in Analogie zu Johannes Brahms „Vier ernsten Gesängen“ – und der äußerst selten zu hörenden Klaviermusik, die alle während der Eisler-Tage zu hören sein werden, kann diese Position des Komponisten überprüft werden.

Chorlieder – „Auch unser Singen muß ein Kämpfen sein“ – , die Kampf-, Film- und Bühnenmusik für große Besetzungen, die Tucholsky-Klavierlieder und sogar „Eisler für Kinder“ (aufgeführt durch die Jugendmusikschule) ergänzen das ziemlich umfassende Programm, durch das man sich selbst ein Bild von Eisler heute machen kann.

„Ich höre Eislers Musik nicht, weil sie nützlich ist, sondern weil sie schön ist“, sagt die Musikwissenschaftlerin Monika Tibbe (die auch Gast des Symposions ist). Und einer der Organisatoren, der Gitarrist Andreas Lieberg, meint: „Uns interessiert vor allem der Eisler, der unseren politisch-musikalischen Weg in den siebziger Jahren begleitet hat, und den wir so eindimensional verstanden haben“.

Zeitlos und, angesichts von Musicalkultur, Oceanparks und Mainstreamdenken, sogar von großer Aktualität seine Meinung: „Ich habe keine Lust, eine Kunst auszuüben, wo man sein Gehirn an der Garderobe abgeben muß“.

Ute Schalz-LaurenzeTel.: