VW-Chef Piäch weiter auf Shopping Tour

Die Volkswagen AG will auch noch ihre Lastwagen-Sparte ausbauen und verhandelt nun mit dem schwedischen Autokonzern Volvo. Ob über eine Fusion oder nur eine stärkere Zusammenarbeit, ist bislang offen  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Halbe Sachen macht Ferdinand Piäch nicht – nicht in seiner Eigenschaft als Konzernchef der Volkswagen AG. Er wolle ein vollständiges Fahrzeugsortiment anbieten können, hatte der oberste Wolfsburger in den vergangenen Monaten wieder und wieder erklärt: „Vom Dreiliterauto bis zum schweren Lastwagen.“ Und zumindest letzteren könnte er bald tatsächlich im Katalog haben.

Am Mittwoch bestätigte Gabriele Fink, Deutschlandsprecherin des zweitgrößten europäischen Nutzfahrzeugherstellers Volvo, daß sich die Führungsspitzen beider Konzerne bereits am vergangenen Freitag „zu Gesprächen“ getroffen hätten. Fink betonte zwar, daß Volvo „keine Fusion, sondern nur eine Zusammenarbeit“ anstrebe. Konzernchef Leif Johansson hatte jedoch bereits im März, als erste Gerüchte aufgekommen waren, gegenüber dem Wall Street Journal einräumen müssen, daß nichts und niemand eine Übernahme verhindern könne, wenn VW sie wolle.

Volvo, dessen Anteile sich größtenteils in Streubesitz befinden, könne komplett über den Aktienmarkt gekauft werden. In der Pressestelle der Volkswagen AG hieß es gestern auf alle Anfragen ganz allgemein: „Kein Kommentar.“ Entsprechend machten sich die Börsianer ihre eigenen Gedanken. Die VW-Aktie kletterte am Vormittag auf ein Allzeithoch von 1.815 Mark. Das Interesse der Wolfsburger gilt nicht nur der Vervollständigung ihrer Produktpalette. Zwar wären aufgrund der unterschiedlichen Schwerpunkte wenig Synergieeffekte zu erwarten.

Aber eine Fusion mit Volvo wäre auch deshalb sinnvoll, weil sich die Märkte für Pkw und Nutzfahrzeuge unabhängig voneinander entwickeln. VW könnte dann ein schlechtes Jahr in der einen Sparte möglicherweise durch ein gutes in der anderen ausgleichen. Ähnliche Überlegungen waren auch schon das Motiv für Verhandlungen mit dem schwedischen Lkw-Bauer Scania gewesen, die wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen derzeit auf Eis liegen. Auch mit der MAN Nutzfahrzeuge AG hat Piäch schon erfolglos geliebäugelt. Bislang hat VW lediglich Lkw bis 7,5 Tonnen und Minibusse zu bieten.

Und eigene neue Fahrzeuge zu entwickeln wäre riskant, weil der Markt für mittlere bis schwere Lkw ohnehin schon an Überkapazitäten leidet. Volvo baut jedoch sowohl Lkw in allen Größen als auch große Busse.

Ein weiteres Indiz für eine mögliche Übernahme könnte die schwierige wirtschaftliche Situation des schwedischen Konzerns sein, der in den vergangenen zwei Jahren mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatte. Volvo hatte es 1996 nicht geschafft, die Verluste in der Pkw-Sparte durch den traditionell erfolgreicheren Lkw-Verkauf aufzufangen, weil gleichzeitig der Absatz von Nutzfahrzeugen in den USA einbrach und den gesamten Gewinn aus den vorangegangenen 15 Jahren kostete. Allerdings hat das Unternehmen wieder enorm zugelegt, seit Johansson im vergangenen Jahr den Chefposten übernommen hat.

Ein anderes Problem von Volvo hat allerdings auch er noch nicht gelöst: Beinahe jede Neuentwicklung schmälert den Konzernertrag – für Analysten „ein Zeichen dafür, daß Volvo allein nicht stark genug ist“.