Künftig mehr Geld für die arbeitenden Freigänger

■ Strafgefangene, die außerhalb der Gefängnismauern arbeiten, sollen vollen Lohn erhalten

Karlsruhe (taz) – Die größten Gewinner der gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe sind die sogenannten unechten Freigänger. Sie arbeiten zwar wie „echte Freigänger“ außerhalb der Vollzugsanstalt, bekommen aber dennoch nur den anstaltstypischen Hungerlohn von knapp zwei Mark die Stunde (siehe hierzu den Text oben).

Das Bundesverfassungsgericht erklärte den Status der „unechten“ Freigänger jetzt zwar für zulässig, forderte jedoch, daß hier in der Regel „echter Freigang“ angebracht sei. Etwa 10 % aller Strafgefangenen arbeiten als „Freigänger“ außerhalb der Gefängnismauern. Sie schließen mit ihren Arbeitgebern einen normalen Arbeitsvertrag und bekommen dafür auch den üblichen Lohn. Hiervon führen sie rund 600 Mark als Haftkostenbeitrag an die Vollzugsanstalt ab, in der sie den Rest des Tages verbringen. Das Verfassungsgericht (und viele Experten) glauben, daß diese Vollzugsform für die Resozialisierung der Gefangenen besonders förderlich ist. Hervorgehoben wird vor allem die Realitätsnähe und die Anbahnung von Kontakten zu künftigen Arbeitgebern. Dennoch hat sich in manchen Bundesländern, insbesondere in dem von der CSU regierten Bayern, eine andere Praxis herausgebildet. Hiernach beschäftigen Unternehmen zwar Strafgefangene außerhalb der Anstalt, diese werden aber so entlohnt, als wären sie in einem Knastbetrieb tätig. Daran schließt sich eine Reihe von Nachteilen an: Es gilt beispielsweise auch kein Kündigungsschutz, da diese Gefangenen keinen Arbeitsvertrag besitzen. Die Folgen können für den einzelnen hart sein. Denn der Arbeitgeber kann von der Anstalt jederzeit einen Austausch seiner Arbeitskräfte verlangen. Die Roten Roben in Karlsruhe haben nun festgestellt, daß freiganggeeignete Gefangene, nur dann als „unechte Freigänger“ eingesetzt werden dürfen, wenn sie (auch mit Hilfe der Anstalt) partout kein „freies Beschäftigungsverhältnis“ finden. Bis zum Ende des Jahres sollen die „unechten“ Freigänger nach Möglichkeit in „echte“ umgewandelt werden, so das Verfassungsgericht in Karlsruhe. Christian Rath