„Ein Schuß vor den Bug“

■ Fall Oliver Neß: Prügelpolizist soll Innenbehörde deren Kosten von mehr als 200.000 Mark erstatten

Schock für Hamburgs PolizistInnen: Erstmals macht die Innenbehörde gegen einen Beamten Regreßforderungen geltend. Sie will von ihr erstattete Behandlungskosten, Verdienstausfall und Schmerzensgeld eines Polizeiopfers eintreiben. Der Journalist Oliver Neß war am 30. Mai 1994 während einer Kundgebung des österreichischen Rechts-Politikers Jörg Haider auf dem Gänsemarkt von Polizisten angegriffen worden. Dabei drehte ihm der Beamte Oliver H. den Fuß um. Neß erlitt einen Bänderriß im Fußgelenk und weitere Verletzungen. Er mußte sich mehreren Operationen unterziehen, war fast ein Jahr lang arbeitsunfähig und laboriert noch heute an den Verletzungen. Das Landgericht verurteilte den Beamten Oliver H. 1996 wegen „fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Geldstrafe von 4.800 Mark.

Nun flatterte ihm ein Bescheid der Innenbehörde ins Haus, die sämtliche Kosten in Höhe von 212.000 Mark erstattet haben möchte. Zur Kasse gebeten wird der Beamte aber vorerst nicht. „Das ist ein Schritt, der den Rechtsverlauf betrifft“, begründet Behördensprecher Christoph Holstein die Maßnahme, „weil demnächst die Verjährung eintritt.“ Die Behörde habe den Beamten angeschrieben, um zu prüfen, ob er eine Haftpflichtversicherung besitzt. Holstein: „Der Beamte hat nicht geantwortet.“

Dieter Schöneck von der Gewerkschaft der Polizei hält die Maßnahmen zwar für grundsätzlich berechtigt, „wir halten nur die Höhe für überzogen, weil sie die Existenz des Kollegen gefährdet“. Der Polizist und GAL-Abgeordnete Manfred Mahr findet das Vorgehen ebenfalls richtig. „Wenn ein Polizist fahrlässig einen Streifenwagen zu Schrott fährt“, so Mahr, „wird er auch in Regreß genommen.“ Mahr glaubt zwar nicht an Abschreckung, dennoch sei die Maßnahme ein „Schuß vor den Bug“ von Prügelpolizisten. Das Opfer Oliver Neß wollte nur kurz Stellung nehmen: „Jeder muß für seine Straftaten einstehen.“ Kai von Appen