Gute Nachrichten von der Ostsee

■ Rostock - ein Modell für die Privatisierung der Wasserbetriebe? "Ja", meint der ehemalige grüne Umweltsenator der Hansestadt. Die hiesigen Grünen sind skeptisch: Sie trauen Senator Pieroth nicht zu, das Mon

Die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe steht unmittelbar bevor. Am kommenden Montag muß sich der SPD-Parteitag zu einem Beschluß durchringen. Und binnen 24 Stunden will der Senat den Megaverkauf, der zwei Milliarden Mark in die Landeskasse bringen soll, absegnen. Deshalb richten sich in diesen Tagen die Blicke der BefürworterInnen und KritikerInnen gleichermaßen nach Rostock – dorthin, wo seit 1993 das Parademodell für die Privatisierung in der deutschen Wasserwirtschaft läuft.

Weil die Stadt Rostock eine Milliarde Mark für die Sanierung der maroden Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht aufbringen konnte, beschlossen PDS, SPD und Bündnisgrüne, den Betrieb der Anlagen an das Unternehmen Eurawasser (Thyssen/Lyonnaise des Eaux) zu verkaufen. Federführend: der damalige Umweltsenator Michael Kreuzberg, ein Bündnisgrüner. Auch rückblickend sagt Kreuzberg: „Das Rostocker Modell war die richtige Entscheidung.“ Zur Privatisierung anderer Wasserwerke mag er aber nur unter harten Bedingungen raten: „Die Kommune muß ihre Grundrechte im Vertrag sichern.“

Zu den Voraussetzungen muß laut Kreuzberg gehören, daß die Stadt sich „die Kontrolle über die Preisgestaltung vorbehält“. Das sei in Rostock gelungen. Eurawasser darf die Gebühren für Frischwasser und Abwasser nicht nach eigenem Gutdünken erhöhen und damit die Bevölkerung auch nicht nach Belieben zur Profitmaximierung des Konzerns heranziehen.

Trotzdem waren die Preiserhöhungen, die die RostockerInnen zu verkraften hatten, „drastisch“, wie auch Michael Kreuzberg einräumt. Ein Grund: Die gigantischen Investitionen hat Eurawasser, vertraglich vereinbart, zum Teil durch die Bevölkerung finanzieren lassen.

Heute ist das Rostocker Wasser nicht ganz billig. Einer Tabelle der Berliner Wasserbetriebe zufolge bezahlt in Rostock eine beispielhafte Familie (330 Kubikmeter Wasserverbrauch im Jahr, Vierfamilienhaus) 9,82 Mark pro Kubikmeter – wesentlich mehr als in München, Stuttgart, Hamburg, Leipzig oder auch Berlin. Die entsprechende Größe geben die hiesigen Wasserbetriebe mit 8,30 Mark an. Allerdings gibt es auch Wasserpreise, die eindeutig über denen in Rostock liegen, etwa in Darmstadt oder Wiesbaden. Die Privatisierung hat also nicht dazu geführt, daß die Gebühren der Hansestadt an der Warnow einsame Spitze sind. „Unsere Kosten bewegen sich am unteren Ende des oberen Drittels“, sagt Wolfgang Herrmann, Umweltexperte der Rostocker SPD.

Das alles kann Vollrad Kuhn, Wirtschaftssprecher der bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, die Skepsis nicht austreiben. Sicher könne Berlin seine Hand auch in Zukunft auf den Preisen halten, doch wolle Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) das überhaupt? „Bisher hat das Land seine Führung in landeseigenen Unternehmen wie der Bankgesellschaft kaum wahrgenommen“, so Kuhn.

Als Beispiel für die laxe Haltung des Wirtschaftssenators nennt Kuhn, daß Pieroth, wie dieser auch selbst einräumt, bislang kein Genehmigungsverfahren für die Wasserpreise durchführte – ein Verstoß gegen das Betriebegesetz, den der Rechnungshof mehrmals bemängelte. Pieroths Sprecher Michael Wehran argumentiert, die externe Genehmigung habe man für verzichtbar gehalten, denn der Senator sitze doch im Aufsichtsrat der Wasserbetriebe, wo die Preisfindung kontrolliert und beschlossen werde. In diesem Gremium aber reden außer Pieroth noch andere Leute mit – der staatliche Einfluß ist mithin geringer als im formellen Genehmigungsverfahren. Nun freilich will Pieroth ein derartiges Verfahren einführen.

Im übrigen bietet auch das neue Holdingmodell ausreichende Vorausetzungen, die staatliche Preisaufsicht auszuüben. Denn mit 51 Prozent sollen die Mehrheit der Aktien und damit auch der größere Teil der Macht beim Land bleiben. Grundsätzlich hat der Senat also auch in Zukunft das letzte Wort bei den Preisen – wenn er nur will.

Zum Thema „Wasserqualität“ kommen aus Rostock nur positive Nachrichten: „Eurawasser hält die gesetzlichen Normen ein“, berichtet SPD-Politiker Herrmann. Anders sieht es in der Bretagne aus, wo UmweltschützerInnen zum Boykott von Lyonnaise des Eaux aufriefen und ein Gericht die Firma zu Schadenersatz verurteilte, weil sie Umweltnormen nicht einhielt. Lyonnaise will sich auch um den Kauf der Berliner Wasserbetriebe bewerben – ein möglicherweise weites Betätigungsfeld für die Kontrolleure des Landes tut sich auf. Hannes Koch