Schönbohms Privilegien für die Polizei

■ Der Innensenator bewilligte im Alleingang und trotz Stellenstopps Hunderte von Beförderungen bei der Polizei. Finanzsenatorin schrieb Beschwerdebrief an Diepgen. Senat berät heute. Harsche Kritik von

Der Alleingang von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), der trotz Stellenstopps 895 Polizeibeamte befördert hat, hat gestern große Empörung ausgelöst. Denn auch in anderen Verwaltungen des öffentlichen Dienstes sind wegen des strikten Sparkurses Hunderte von bewilligten Beförderungen auf Eis gelegt. „Es gibt keine Sondersituation bei der Polizei“, erklärte gestern der Sprecher von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), Dirk Wildt. Schönbohm sei zudem der Dienstherr aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Es sei nicht hinnehmbar, daß er seine Fürsorgepflicht unterschiedlich ausübe.

Um die Beförderungen zu ermöglichen, hatte Schönbohm am 1. Juli für einen Tag den Stellenstopp aufgehoben. Dazu ist er als Dienstherr des öffentlichen Dienstes befugt, andere Senatoren können ihre Verwaltungsmitarbeiter nicht im Alleingang befördern.

Im Schnitt beträgt die Gehaltserhöhung der Polizisten 150 Mark brutto. Befördert wurden Schutzpolizisten der unteren Lohngruppen, die etwa 2.500 Mark netto verdienen. Jährlich entstehen dadurch Mehrausgaben von etwa 1,6 Millionen Mark. Die Mehrkosten müssen innerhalb des Polizeietats ausgeglichen werden.

In einem geharnischten Protestschreiben an den Regierenden Bürgermeister fordert die Finanzsenatorin, daß der Senat sich in seiner heutigen Haushaltsberatung mit dem Überraschungscoup des Innensenators befaßt. Der hatte ebenso provakativ wie offensiv die nächste Beförderungswelle bei der Polizei für Dezember dieses Jahres angekündigt. Fugmann-Heesing sieht in den Beförderungen einen „klaren Verstoß gegen das Vorhaben des gesamten Senats, den Landeshaushalt zu sanieren“, so ihr Sprecher Dirk Wildt.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, kritisierte den Zeitpunkt von Schönbohms Vorstoß. Kurz vor dem Ende der Haushaltsberatungen brüskiere er damit die Finanzsenatorin. Zudem hätte es einer Absprache im Senat bedurft, um zu einer gerechten Lösung für den öffentlichen Dienst zu kommen.

In der Sache hatte sich Schönbohm geschickterweise die Rückendeckung der Innenpolitiker von SPD und CDU verschafft. Sie stimmten bei einer Sitzung des gemeinsamen „Bündnisses für Sicherheit“ am 3. Juni den beiden Ausnahmeregelungen für die Polizei zu. Auch SPD-Fraktionschef Klaus Böger unterstützte dies. Nur vom Zeitpunkt der Beförderungen wurde die SPD überrascht. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen befürwortete gestern die Beförderungen.

Schönbohms Vorstoß ist als Befriedungsaktion der Polizei zu bewerten, nachdem er unter Druck stand. In Teilen der Polizei gilt er als „Ankündigungssenator“, auch die von Schönbohm mitgetragene Polizeireform ist intern hochgradig unpopulär. Scharfe Kritik an Schönbohm äußerten auch Grüne und FDP. Der grüne Haushaltsexperte Arnold Krause erklärte, Schönbohm provoziere „die Gefahr eines Dammbruches“, Verwaltungsmitarbeiter anderer Ressorts könnten nun ebenfalls eine Beförderung fordern. Dadurch würden Mehrkosten von schätzungsweise 10 Millionen Mark pro Jahr entstehen. Krause hat eine Sondersitzung des zuständigen Parlamentsausschusses beantragt. Dorothee Winden