Franzosen „dem Rassismus zugeneigt“

■ Gemäß einer Meinungsumfrage tendiert eine Mehrheit der Franzosen zum Rassismus – quer durch alle politischen Parteien

Berlin (taz) – Rassismus ist in Frankreich tief verankert. Nach einer großangelegten Umfrage, deren Ergebnisse gestern in der Tageszeitung Le Monde veröffentlicht wurden, werden insgesamt 58 Prozent der Befragten entweder als „rassistisch“ oder „dem Rassismus zugeneigt“ eingestuft.

Die Umfrage wurde im Auftrag der französischen Menschenrechtskommission und der Regierung zwischen dem 24. November und dem 6. Dezember 1997 vom Meinungsforschungsinstitut CSA unter 1.040 repräsentativ ausgewählten Personen durchgeführt. Wie CSA-Direktor Roland Cayrol präzisiert, wurden eine Reihe spezifischer Fragen zu Rassen- und Einwanderungsthemen gestellt, die Antworten gebündelt und nach „rassistisch“, „dem Rassismus zugeneigt“, „antirassistisch“ und „indifferent“ kategorisiert. Dieser Wertung zufolge gelten 18 Prozent der Befragten als „rassistisch“ und weitere 40 Prozent als „dem Rassismus zugeneigt“. Die Kategorie der Antirassisten umfaßt 33 Prozent der Befragten.

Die Unterscheidung zwischen den Kategorien „rassistisch“ und „dem Rassismus zugeneigt“, erklärt Cayrol, wurde so getroffen, daß die letztere Kategorie sich selbst als nur „wenig“ rassistisch einschätzt und sich nicht mit den Ideen der rechtsextremen Front National identifiziert, dennoch aber auf Einzelfragen – etwa die, ob es zu viele Araber oder Schwarze in Frankreich gibt – rassistische Antworten gibt. Der Rassismus ist demzufolge in allen politischen Lagern verbreitet, wenn auch deutlich mehr bei der Rechten. Nach Parteiloyalität aufgeschlüsselt, gelten 97 Prozent der Unterstützer der Front National als rassistisch oder „dem Rassismus zugeneigt“; ansonsten ergibt sich ein Prozentsatz von 77 Prozent bei der gaullistischen RPR, 65 Prozent bei der konservativen UDF, 53 Prozent bei den Grünen, 45 Prozent bei den Sozialisten und 41 Prozent bei den Kommunisten.

Der Rassismus ist der Umfrage zufolge bei Frauen genauso verbreitet wie bei Männern, bei Jugendlichen allerdings weniger als bei Älteren. Insgesamt 73 Prozent der Befragten stimmen der Einschätzung zu, daß viele Einwanderer nur nach Frankreich kommen, um Sozialgelder zu beziehen.

Le Monde bringt die Umfrageergebnisse in Zusammenhang mit einer gesamteuropäischen Umfrage zum Thema Rasssismus vom Frühjahr 1997, bei der nach der Selbsteinschätzung auf einer Skala von 1 (gar nicht rassistisch) bis 10 (sehr rassistisch) gefragt wurde. 38 Prozent der französischen Befragten gaben sich eine Note zwischen 5 und 10. In Belgien lag der Anteil der selbsterklärten Rassisten bei 45 Prozent, in Deutschland bei 23, in Großbritannien bei 22, in Italien bei 21 Prozent. Die Frage, ob es „zu viele“ Angehörige ethnischer Minderheiten in ihrem Land gebe, bejahten 46 Prozent der Deutschen und 42 Prozent der Franzosen. D.J.