Ab 1999 Heroin vom Staat

Hamburg legt Konzept für kontrollierte Heroinabgabe vor. 200 bis 300 Junkies sollen von Drogenambulanzen versorgt werden  ■ Von Silke Mertins

Nach jahrelanger Diskussion soll es in Hamburg mit der kontrollierten Heroinabgabe endlich losgehen. Gestern stellte der Drogenbeauftragte Horst Bossong auf einer Fachtagung das Konzept für die zur Zeit gesetzlich noch verbotene Herointherapie vor. Nach den Bundestagswahlen wird Hamburg die Gesetzesinitiative zur Heroinabgabe erneut in den Bundesrat einbringen. „Günstigenfalls könnte bereits im ersten Halbjahr 1999 an die konkrete Umsetzung gegangen werden“, so Bossong.

Das Modellprojekt, das in der Schweiz bereits erfolgreich erprobt ist, soll zusammen mit anderen deutschen Großstädten gestartet werden. Zugesagt haben Frankfurt, Berlin, Köln, Hannover, Karlsruhe, München und Dortmund. Beteiligt werden außerdem Bund, Länder, Ärzteschaft, Drogenhilfe und die betroffenen Junkies. Letztere sind in Hamburg in der „Heroininitiative“ organisiert und üben schon seit langem mit Veranstaltungen Druck auf die Politik aus. Inzwischen befürworten nach einer Emnid-Umfrage 61 Prozent der Bevölkerung einen solchen Versuch.

In der Hansestadt sollen zunächst 200 bis 300 Abhängige mit Heroin behandelt werden. Wahrscheinlich wird es sich dabei um „Hardcore-Junkies“ handeln, die für andere Therapieformen nicht mehr zugänglich sind. Bossong stellt sich allerdings die Frage, ob nicht auch Kurzzeitabhängige geeignet wären. „Bei ihnen wäre die zweifellos interessante Fragestellung zu klären, ob durch eine frühzeitig einsetzende Heroinbehandlung die Drogenkarriere schneller und nachhaltiger beendet werden kann als durch andere Therapien oder die Nichtbehandlung.“

Als Träger der kontrollierten Abgabe des Stoffs hält der Drogenbeauftragte die Drogenambulanzen für geeignet, „die auf fachlich hohem Niveau die medizinisch-ärztliche Infrastruktur für die Durchführung des Modellprojekts bereitstellen können.“ Flankiert werden soll die Heroinabgabe durch sozialtherapeutische Betreuung.

Um das Projekt von der UNO genehmigt zu bekommen, muß außerdem ein Forschungsziel genannt werden, das sich von dem in der Schweiz unterscheidet. Nach Hamburger Vorstellungen sollte von einer Forschungsgruppe eine Vergleichsstudie erstellt werden, die neben der Heroinabgabe auch die Methadonbehandlung und die Abstinenztherapie einbezieht. „Ist Heroin als Therapeutikum bei Drogensucht anderen Therapieformen überlegen in bezug auf spezifische Teilgruppen der Süchtigen?“ könnte die Frage laut Bossong formuliert werden. Der Auftrag für die wissenschaftliche Begleitung wird ausgeschrieben.

Der Senat hat bei seinen Haushaltsberatungen mit einem Grundsatzentscheid bereits grünes Licht gegeben. Insgesamt soll das Projekt allerdings von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam finanziert und perspektivisch auf Europa ausgeweitet werden.