Drogendealer im Abseits

■ Aufenthaltsverbote auf Szeneplätzen für sechs Monate rechtens

Hartgesottene Drogendealer dürfen künftig wieder für ein halbes Jahr in die Verbannung geschickt werden. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen ist es rechtmäßig, wenn das Bremer Stadtamt Aufenthaltsverbote von bis zu sechs Monaten verhängt. Diese erstrecken sich auf die Bereiche Vor dem Steintor/Am Dobben, An der Weide/Außer der Schleifmühle und den Bahnhofsvorplatz. Wer sich nicht daran hält, muß 200 Mark Zwangsgeld zahlen.

Mit diesem Beschluß stellt sich das OVG gegen das Verwaltungsgericht. Das hatte im Falle eines Klägers entschieden, daß die Aufenthaltsverbote – 1996 waren es 27 Fälle – nicht rechtens sind, da sie unter anderem gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit verstoßen, daß im Artikel 11 des Grundgesetzes verbürgt ist. Das OVG kommt dagegen zu dem Ergebnis, daß das Bremische Polizeirecht für die längerfristigen Aufenthaltsverbote eine Rechtsgrundlage enthält. Dies allerdings nur, wenn es um die Verhinderung bedeutender Straftaten geht. Darum dürfe nicht pauschal gegen alle Personen der offenen Drogenszene vorgegangen werden. Längerfristige Aufenthaltsverbote dürften nur gegen Personen angeordnet werden, die besonders an der Bildung und Aufrechterhaltung der offenen Drogenszene beteiligt seien, so das OVG.

Gestritten wurde im Verfahren auch darum, ob die Verbote geeignet seien, gegen die Drogenszene vorzugehen. Dabei hat sich das OVG der Argumentation des Stadtamtes angeschlossen, daß die Bildung einer Szene durch die Verbote deutlich erschwert werde.

So auch Innensenator Ralf Borttscheller (CDU). Er sagte, Drogenhändler müßten von ihren Kunden ferngehalten und so ihr „Geschäft“ verhindert werden. Aus der Gesundheitsbehörde hieß es, man wolle das Urteil nicht kommentieren, da ohnehin nur Dealer betroffen seien und nicht Junkies.

Reichlich überrascht zeigte sich dagegen die drogenpolitische Sprecherin der Grünen, Karoline Linnert. Sie beruft sich auf ein Gutachten des Rechtsprofessors Wolfgang Hecker. Demnach ist die Verfassungsmäßigkeit bei solch langen Aufenthaltsverboten im Gegensatz zum OVG-Beschluß nicht mehr gewährleistet (wir berichteten). Sie machte darauf aufmerksam, daß gerade die drei vom OVG besonders genannten Gebiete derart zentral lägen, daß es den Betroffenen kaum noch möglich wäre, etwa mit der Straßenbahn zu fahren. Denn das Verbot erstreckt sich auch auf eine Durchquerung. Ausnahmen werden meist nur bei Arztbesuchen oder ähnlichem erteilt. Doch auch drogenpolitisch hält Linnert den OVG-Beschluß für problematisch. „Die Händler wechseln ihr Gebiet und ziehen ihre Stammkundschaft mit sich. Dadurch werden die Junkies von sämtlichen Drogenhilfsangeboten abgeschnitten.“ Ihrer Meinung nach ist dies ein weiterer Schritt weg von einer sozialen Drogenpolitik. Jens Tittmann