Tränen gibt es so oder so

■ Jana Nowotna will in ihrem dritten Wimbledon-Finale endlich den Titel, und Martina Hingis entdeckt gar die Nützlichkeit des Trainings

London (dpa) –In ihrem dritten Wimbledon-Endspiel will Jana Nowotna heute endlich ihren ersten Grand-Slam-Titel gewinnen. Nach dem hochverdienten 6:4, 6:4-Sieg der tschechischen Weltranglistendritten prophezeite die unterlegene Schweizerin Martina Hingis: „Sie wird diesmal der Champion sein.“ Zur eigenen Leistung gegen ihre Doppelpartnerin sagte die 17jährige Branchenführerin erbost: „Sauer bin ich, total sauer.“ Die offensichtlich leicht übergewichtige Hingis, die zuletzt von ihrer Mutter Melanie Molitor hart kritisiert worden war, erkannte nach ihren 41 Leichtsinnsfehlern: „Ich muß wieder mehr trainieren.“

Ausgerechnet bei ihrem 13. Gastspiel in Wimbledon tritt Jana Novotna im Finale auf dem Centre Court nicht als Außenseiterin, sondern als Favoritin an: Die 29jährige Tschechin trifft auf die 350 Tage ältere Nathalie Tauziat, die nach ihrem überraschenden Siegeszug beim dritten Grand-Slam-Turnier der Saison in London auch gegen die Weißrussin Natascha Zwerewa, Bezwingerin von Steffi Graf und Monica Seles, mit 1:6, 7:6 (7:1), 6:3 gewann. Tauziat ist die erste Französin im Wimbledon-Endspiel, seit Suzanne Lenglen 1925 ihren sechsten Triumph bei diesem Turnier feierte, und sie ist zuversichtlich. „Ich kann unbeschwert aufspielen. Novotna denkt, das ist ihre Chance – aber ich habe nichts zu verlieren.“ Ihre Bilanz gegen die Tschechin ist vor dem neunten Duell der beiden ausgeglichen.

Im Halbfinale hatte die Weltranglisten-15. aus Bayonne, die zuvor die Nummer zwei, Lindsay Davenport (USA), ausschaltete, lange Zeit wie die sichere Verliererin ausgesehen. Auf dem schnellen Rasen kam sie überhaupt nicht in Fahrt, und Zwerewa trumpfte auf. „Im ersten Satz“, wunderte sich Tauziat, „hat sie unglaublich gut gespielt.“ Nach dem 1:6 kämpfte sich die Französin, die ihre Karriere vor zwei Jahren schon beenden wollte, in den Tie-Break und hatte das Match von da an im Griff. „Es ist“, sagte sie, „ein schönes Geschenk, daß ich noch einmal auf dem berühmtesten Centre Court der Welt spielen darf.“

Die Überraschungsfrau von Wimbledon hat schon vor dem Ballwechsel im Finale umgerechnet rund 600.000 Mark Preisgeld in der Tasche – 1,12 Millionen Mark warten auf die Siegerin. Und die Herzogin von Kent mit der Siegestrophäe. An deren Schulter hatte sich Nowotna 1993 bei ihrer ersten Final-Niederlage gegen Steffi Graf ausgeweint. Diesmal heulte sie schon vor nach dem Halbfinale: „Es war ein unbeschreibliches Gefühl.“ Egal, wie das Finale ausgeht, Tränen wird es sicherlich geben.