Rechtsfreier Raum in Niedersachsen

■ Mit einem Termin im Info-Haus der Brennelementlager Gorleben startete der niedersächsische Besetzungs-Untersuchungsausschuß

Hannover (taz) – Im Informationshaus der Brennelementlager Gorleben (BLG) waren die Teppiche und Wände schon wieder sauber, als dort gestern der 17. parlamentarische Untersuchungsausschuß des niedersächsischen Landtages mit einem Ortstermin seine Arbeit aufnahm. Am 5. und 6. Juni hielten mal achtzig und in der Nacht auch nur ein gutes Dutzend wendländische AKW-Gegner das mitten in Gorleben gelegene BLG- Info-Haus für insgesamt 26 Stunden besetzt. Bald nach der Besetzung stellte der Zwischenlagerbetreiber Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Weil aber die örtliche Polizei sich auf Gespräche mit den ihr durchaus gut bekannten Besetzern verlegte und deren Abzug abwartete, hat die Landtags- CDU und namentlich deren Vorsitzender Christian Wulff jetzt erneut einen „rechtsfreien Raum in Niedersachsen“ ausgemacht.

Solche „rechtsfreien Räume“ gehören – zumal im Wahlkampf – medienwirksam untersucht. Schließlich ist nach Angaben der BLG durch die Besetzung des Info-Hauses ein Sachschaden von insgesamt 250.000 Mark entstanden – vor allem an Modellen von atomaren Anlagen und Atommüllbehältern, die die Besuchergruppen im Info-Haus normalerweise bestaunen können.

Immerhin hatte gestern auch die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Susanne Kamien, ihre direkte Sprache durchaus wiedergefunden: „Die BLG will sich über die Besetzung eine Totalsanierung ihres Info-Hauses zahlen lassen“, sagte sie gestern. Die Bürgerinitiative ist der Auffassung, daß die Modelle von Brennstäben, Castoren oder auch französischen Atommüllbehältern, die allwöchentlich auch Gruppen von AKW-Gegnern besichtigten, schon vor der Besetzung „ramponiert waren“.

Daß die Besetzung „etwas unglücklich gelaufen“ ist, gibt allerdings auch die BI-Vorsitzende zu. Vierzig Flaschen Schnaps seien abends in den Ausguß gekippt worden, „damit sie eben nicht gesoffen werden“, sagt Kamien. Über Korn, Kirsch, Rum und ähnliche Getränke hinaus vermißte die BLG nach der Besetzung allerdings auch noch 21 Flaschen Sekt und 5 Kisten Bier. Die „unglückliche Besetzung“ sei deswegen nach einem Tag beendet worden. Die Besetzer hätten aber vor ihrem Abzug „noch aufgeräumt“.

Wie im Wendland üblich hatten auch bei dieser Aktion zwei Pastoren, ein Arzt und ein Bürgermeister zwischen Besetzern und Polizei vermittelt. „Honorige Bürger“ machte die Polizei unter den Besetzern aus und verließ sich darauf, daß „Ziel der Aktion ausdrücklich nicht die Demolierung des Info- Zentrums“ war, und entschied sich auch aus Mangel an Kräften gegen eine Räumung. Anlaß der Besetzung waren seinerzeit die Kontaminationen an Atommüllbehältern. Nach diesen Kontaminationen durfte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms bei dem gestrigen Ortstermin die BLG-Vertreter allerdings nicht fragen. Jürgen Voges