Vor den Peinlichkeiten

■ Cornelia Kurth veröffentlicht mit „Frederikes Tag“ einen klasse Jugendroman

Neuesten Forschungsergebnissen zufolge ist es manchmal gar nicht so schrecklich, 15 Jahre alt zu sein. Es gibt natürlich Momente, in denen man wahlweise sterben oder jemanden umbringen will, doch zum Glück ist das nach fünf Minuten vorbei. Und wenn man sich die Erwachsenen anschaut, ist es sogar sehr angenehm, noch ein bißchen Zeit zu haben, bis die Peinlichkeiten des Lebens einen einholen – mindestens einen ganzen langen Tag.

Die Forscherin, der wir diese Erkenntnisse verdanken, heißt Cornelia Kurth, und ihre Untersuchungen mit dem Titel Frederikes Tag sind in Romanform bei Eichborn erschienen. Die heute im niedersächsischen Rinteln ansässige Autorin begann ihre Laufbahn als Journalistin in Hamburg. In den Jahren 1990/1992 schrieb sie für die Szene und verfaßte für die taz hamburg unter anderem die Reportagen aus der Großstadt – eine illustrierte Serie kurzer, punktgenauer Beobachtungen städtischer Mini-Abenteuer in der U-Bahn, im Supermarkt oder in der Fußgängerzone.

Für die Heldin ihres ersten Romans, der mit dem Bremer Autorenstipendium gefördert wurde, nahm sie Anleihen bei ihrer Stieftochter. Diese hat das bewußte Alter gerade hinter sich und ist knapp 20 Jahre jünger als die Mutter, die unter dem Namen Frederike in ihre Haut schlüpfte. So ist eine präzise Studie entstanden, mit der Kurth die „komplexe Realität eines jungen Mädchens“ beschreiben will. Ein Jugendbuch? Nur bedingt. Zwar erfuhr sie von Frederikes Altersgenossen positive Reaktionen. Doch meint auch die Autorin, daß Frederikes Tag eher ein Roman für Erwachsene geworden sei, die sich mit Jugendlichen beschäftigen wollen – oder müssen.

Für einen echten Jugendroman ist das Buch zu unspektakulär, denn es widmet sich bewußt einem ganz alltäglichen Tag. Der findet in einem Vorort von Bremen statt und ist bei Frederike vom morgendlichen Schreckensblick in den Spiegel bis zum Schlafengehenmüssen prall gefüllt. In der Schule lauert die fiese Gang der Türki-Boys (obwohl Hikmet, das Hühnchen, ja eigentlich ziemlich toll ist); bei Freundin Alpin wird ein Video gedreht; und am Abend glaubt der verrückte Malte, einen Mord begangen zu haben. Hat er natürlich nicht, und so reicht das ganze Frederike gerade mal für eine Lästerstunde mit der zweitbesten Freundin.

Frederikes Tag ist schnell und knapp erzählt, in einer Sprache, die sich nicht anbiedert und doch echt ist, weil Cornelia Kurth ihrer Tochter genau zugehört hat. Ihre Studie belegt, daß der Tag einer 15jährigen zwar auch nur 24 Stunden hat, aber trotzdem so lang ist, daß es einer Erwachsenen für mindestens eine Woche reichen würde.

Barbora Paluskova

Cornelia Kurth: „Frederikes Tag“, Eichborn Verlag, Frankfurt 1998, 115 Seiten, 29.80 Mark