Schilda-Wald an Schlachte

■ Der Häfensenator läßt fehlerhaften Schilder-Wald an der Schlachte aufstellen, um Bausenator Schulte abzusägen / Der revanchiert sich, um die große Koalition zu retten

Die Große Koalition Bremens steht vor dem Aus. Wie so viele große Dinge wird auch dieses hoffnungsfrohe Konstrukt aus Nachampel-Tagen an kleinen Dingen zerbrechen. In diesem speziellen Fall an einem etwa 60 mal 70 Zentimeter kleinen, blauen, unschuldigem Hinweisschild. Daß die SPD-CDU-Kumpanei überhaupt noch hält, liegt vermutlich daran, daß Bausenator Bernt Schulte von der CDU so selten an der Schlachte promeniert. Dort versucht nämlich sein Senatskollege Uwe Beckmeyer, von der SPD für die Ressorts Häfen und Arbeit abgestellt, den bauressortlichen Kurs aufs Kräftigste zu unterwandern.

Gleich 28 „Fehler“ – und die auch noch in Folge – hat er an dem ehrgeizigen Expo-Projekt Schlachte-Ausbau plaziert. Gepaart mit immenser Geldverschleuderung in vierstelliger Höhe fragt sich der brave Bürger beim Bummeln: „Ja tickt denn der Bausenator noch richtig?“ Dem wird nämlich die ausgeklügelte Fehlerteufelei seines Koalitionsfeindes als erstes an das Revers geheftet. Nur wer nachfragt, wird belehrt, daß es sich um einen Schild-Bürgerstreich des Häfensenators handelt. Und das auch noch an historischem Ort – dem einzigen Expo-Projekt Bremens, welches voraussichtlich auch pünktlich zur Weltausstellung im Jahr 2000 fertig wird.

Großkotzig verkündet dort die Beckmeyersche Behörde: „Hier baut die Stadt Bremen für Ihre Bürger.“ Das „Ihre“ schreibt man nur groß, wenn es sich um eine persönliche Anrede handelt, belehrt uns der Duden. Also: Beckmeyer-Fehler Nummer 1. Dann geht es weiter: „Für Ihre Sicherheit ist es notwendig im Bereich zwischen der Wilhelm-Kaisen-Brücke und der Stephani-Brücke teilweise Vollsperrungen vorzunehmen.“ Fehler Nummer 2 – erweiterter Infinitiv wird mit Komma vom Hauptsatz getrennt.

Des Bausenators persönlicher Referent Hartmut Spiesecke ist ganz besonders entsetzt über so viel Dummheit: „Baustellen ärgern den Bürger. Darum haben wir extra eine Werbeagentur eingeschaltet, die uns einen intelligenten Werbetext aufgesetzt hat, um auf Baustellenschildern für den Sinn der Maßnahme zu werben. Dazu gehört vor allem auch, wie lange die Arbeiten dauern, damit sich die Bürger darauf einstellen können.“ Bei Beckmeyer Fehlanzeige. Kein Wort darüber, daß es sich um ein Expo-Projekt handelt. Kein Wort darüber, wie lange der Spuk andauert.

Stattdessen läßt der Häfensenator zwischen Wilhelm-Kaisen- und Eisenbahnbrücke an jedem Abgang eins seiner Fehlerschilder anbringen. Stückpreis um die 300 Mark. Mit Aufstellkos-ten kommen da schnell 350 bis 400 Mark zusammen – für mindestens 14 Schilder, die die taz im Vorbeischlen-dern ausmachen konnte. Das macht dann alles zusammen 5.600 Mark und 28 Fehler.

Dabei wäre der Schilda-Wald überhaupt nicht nötig. Er warnt die Bürger vor einer 200 Meter langen Wander-Baustelle. Die ist ohnehin von weiteren Schildern und Bauzäunen abgegrenzt. Kein Problem also, dort zwei tragbare Schilder anzubringen, mit der Aufklärung, was dort passiert. Das weiß auch Herr Beckmeyer. Aber der Mann ist ja nicht dumm. 28 kleine Fehler, und das in einem einzigartigen Schilderwald. Das ist wahre Politik. Schließlich ist des Bausenators Lieblingssatz: „Wir brauchen in Bremen keinen Schilderwald.“ Und: „Hier wird Bremen schöner.“ Zu lesen ist die Steigerungsform selbst auf Baustellenschildern an herrlich-häßlichen Gegenden wie an der Alfred-Faust-Straße vor dem Gemeinschaftszentrum Obervieland.

Somit können beide Fraktionen Abwahlanträge wegen Schild-Bürgerstreichen stellen. Und die Große Koalition, die sich selbst immer wieder mit großem G schreibt – wie übrigens auch die Obere Rathaushalle mit großem O, steht vor dem großgeschriebenen Aus. Da dies aber bedeuten könnte, daß die AfB in einer Ganz Großen Koalition eingebunden wird, stimmen die Grünen gegen alles, die Senatoren Beckmeyer und Schulte gehen an der Schlachte einen trinken, und die Welt ist wieder in Ordnung. Wenn nicht der Landesrechnungshof die 5.600 Mark moniert, die Beckmeyer in die Weser geschmissen hat. Jens Tittmann

P.S. Der Autor hofft, einen fehlerfreien Artikel geschrieben zu haben.