Atomstrom kostet drei Mark/kWh

■ betr.: „Ohne Ausstieg beim Atom kein Einstieg in Rot-Grün“ u.a., taz vom 30.6.98

Das Trojanische Pferd in einer eventuellen SPD-geführten Bundesregierung ab Herbst 1998 würde nicht Stollmann heißen, sondern Schröder. Der irrlichternde Stollmann soll nur dem Trojanischen Gaul Schröder kräftige Hilfen verpassen. Die Rolle Trojanisches Pferd hat Schröder ja gründlich studiert: bei den von ihm für die SPD geführten Energiekonsensgesprächen 1993, 1995 und 1997.

Inzwischen ist Schröders Wortakrobatik und Verbalkosmetik derjenigen der Atomlobbyisten absolut ebenbürtig. Selbst über den Atomausstieg in 20 bis 25 Jahren sagt Schröder ja nicht, daß er den wolle. Schröder sagt nur, daß der Ausstieg dann möglich sei... weil dann selbst für die jüngsten Atomkraftwerke die via Abschreibung kalkulierten Laufzeiten nicht nur längst erreicht, sondern äußerst gewinnbringend überschritten wären. So gesehen hat Schröder auch auf dem SPD-Parteitag im April in Leipzig nicht die Unwahrheit gesagt: „Ausstieg so schnell wie möglich.“ Und schneller als in 20 bis 25 Jahren ist der Ausstieg (aus obengenannten Gründen) eben nicht möglich. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, bei Schröder noch genauer hinzuhören! [...] Hans Grossmann, Maintal

[...] Gerade die jetzige Debatte über die Art und Weise des Atomausstiegs, die im übrigen viel eher hätte geführt werden müssen, zeigt, in welche Sackgasse sich die Grünen und auch große Teile der Anti-AKW-Bewegung dabei verrannt haben. Denn ein Atomausstieg innerhalb viel kürzerer Zeiten ist möglich, wenn man ihn wirklich will. Dabei sollte man die drei grundsätzlichen Strategien gegenüberstellen und bewerten:

1. Die Forderung nach einem sofortigen Atomausstieg mag berechtigt sein, führt aber aller Wahrscheinlichkeit nach zu langwierigen Rechtsstreiten und hohen Schadensersatzansprüchen, die gerade angesichts der riesigen Finanzprobleme der öffentlichen Haushalte gerade von der SPD gescheut werden.

2. Der Atomausstieg ohne Rechtsstreite und Schadensersatzansprüche ist das Konzept, das jetzt vom hessischen Staatssekretär Baake entworfen wurde und das als eine Art „Eniergiekonsens“ gewertet werden kann. Mit möglichst vielen Nadelstichen soll einerseits Druck auf die Betreiber ausgeübt werden, damit eine Einigung über möglichst kurze Restlaufzeiten erreicht wird. Baake hofft auf zehn Jahre. Das ist im übrigen länger als die bündnisgrünen Spitzen zu hoffen wagen. Die denken an zwei Legislaturperioden. Der um „Wirtschaftsfreundlichkeit“ bemühte Schröder will natürlich längere Laufzeiten. Und so ist abzusehen, daß bei dieser Strategie im Falle einer rot-grünen Bundesregierung eine Absichtserklärung, aber keine Festlegung herauskommt, die zwei Legislaturperioden als Ziel benennt, aber die Zeit nach oben hin öffnet. Versüßt wird das den Bürgerinitiativen mit der Ankündigung der Schließung einzelner Anlagen in der zweiten Legislaturperiode, so nach fünf bis sechs Jahren. Die Grünen hätten damit im wesentlichen die Zehn- Jahres-Ausstiegs-Position der SPD übernommen und wären einmal mehr über den Tisch gezogen worden.

3. Eine dritte Strategie, die bislang kaum beachtet und diskutiert wurde, geht von einem ganz anderen Ansatz und Politikverständnis aus: Nicht die Regierung und die Betreiber handeln aus, welche Anlagen wann zu schließen oder weiter zu betreiben sind, sondern die Regierung setzt die Rahmenbedingungen, nach denen sich die Betreiber zu richten haben. Grundlage dafür das Öko-Steuer-Konzept, wonach die Preise die ökologische Wahrheit sagen sollen. Steuern selbst sind nicht mit den Betreibern aushandelbar und nicht chancenreich beklagbar, wenn sie ausreichend begründet sind.

Die ökologische Wahrheit in der Atomenergie steht bekanntlich im totalen Widerspruch zum jetzigen Steuer- und Versicherungssystem. Das heutige Atomrecht schreibt nur eine Deckungssumme von zirka 1,1 Mrd. Mark für Atomkraftwerke fest, obwohl nach einer Studie des Prognos-Instituts Basel im Falle einer Reaktorkatastrophe ein Schaden von bis zu elf Billionen Mark möglich ist. Atomkraftwerke sind also total unterversichert. Im Falle einer Katastrophe hätte die öffentiche Hand für die Folgen aufzukommen. Das stellt das Verursacherprinzip auf den Kopf. Einmal mehr würden Gewinne privatisiert, Verluste und Schäden sozialisiert, auf die Gemeinschaft abgewälzt. Die Betreiber argumentieren hierzu, das sei der Preis für die Nutzung der Atomenergie. Verkannt wird dabei aber, daß bei einer derartigen Subvention einer Energieart andere Energieträger im Wettbewerb drastisch benachteiligt sind. Wie hoch der Energiepreis für Atomstrom sein müßte, hat das Prognos-Institut berechnet: Weit über drei Mark pro Kilowattstunde. Der Atomstrom ist damit höher subventioniert als die legendären 5-Pfennig-Brötchen zu DDR-Zeiten, die teilweise zum Füttern verwendet wurden, nämlich zu zirka 95 Prozent.

Eine logische, nicht einmal in erster Linie auf den Atomausstieg ausgerichtete Strategie wäre es, die Atomstrompreise wieder die ökologische Wahrheit sagen zu lassen. Das ginge am einfachsten mit der Einführung einer Atomenergiesteuer, die jede erzeugte (bzw. auch importierte) Kilowattstunde belastet. Sozusagen ein „Ansparen“ des Staates für die Schadenersatzzahlungen im Falle einer Reaktorkatastrophe. Die Höhe müßte, rein logisch betrachtet, zirka drei Mark pro Kilowattstunde betragen. Aber auch bereits weit niedrigere Steuersätze wären als Übergangslösung angebracht und ausreichend und würden der Atomwirtschaft eine ausreichende „Planungssicherheit“ ermöglichen: 0,50 DM/kWh im ersten Jahr, 1 DM/kWh im zweiten Jahr, 1,50 DM/kWh im dritten Jahr usw. Wollen wir wetten, wie lange die Atomkraftwerke dann noch am Netz sind? [...]

Eine Steuerreform sollte auch immer eine Lenkungswirkung haben. Falls die Betreiber die Kosten weitergeben, steigen die Wettbewerbschancen von regenerativen Energieträgern, von Energiespartechniken, und die Forschung in diesen Bereichen wird expandieren. Und spätestens bei der politischen Umsetzung wird sich zeigen, ob man den Atomausstieg ernsthaft will. Für einen Rechtsstreit hat der Staat in diesem Fall gute Karten, siehe das Prognos-Gutachten. Schadenersatz kann so ausgeschlossen werden. Und ich behaupte: Atommüll aus dem Betrieb der Atomkraftwerke fällt dann nur noch für maximal drei bis vier Jahre an! Michael Rost, Mitglied der

Magdeburger Bürgerinitiative

gegen das Atommüllendlager

Morsleben

betr.: „Mit dem Atomersatz auf du und du“, taz vom 25. 6. 98

[...] Es ist alles nur eine Sache der Auslastung der herkömmlichen Kraftwerke. Aus leistungstechnischer Sicht könnten wir uns sofort von der risikoreichen Atomenergie verabschieden. Beim Ersatz für Kraftwerke geht es „nur darum“ die CO2-Schleudern, wie die Kohlekraftwerke, mit miserablem Wirkungsgrad so schnell wie möglich zu ersetzen. [...] Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie zeigt, daß bei einer anderen Energiepolitik bis zum Jahr 2010, eine Milliarde Tonnen CO2 und zirka 85 Milliarden Mark (zirka 42,5 Milliarden Euro) gespart werden könnten. Diese Fakten muß man ständig unter die Leute bringen, dann wird sich in Sachen schneller Ausstieg aus der Atomenergie mehr tun. Horst Frischmann,

Weiherhammer