Der Teufel persönlich

■ Was hat Mathieu Carriere, was wir nicht haben? "Wie eine Spinne im Netz" (20.15 Uhr, ZDF)

Wenn eine Frau, das wissen wir alle und das Fernsehen zeigt es uns immer wieder, wenn eine Frau mit einem Mann richtig guten Sex hatte, kann sie nie wieder von ihm lassen. Sie wird kommen, wenn er ruft – widerwillig zwar, um ihre Unvernunft und Selbstzerstörung wissend. Aber, das wissen wir alle und das Fernsehen zeigt es uns auch heute abend wieder, bei Frauen siegen immer die animalischen Triebe. Und sei es der Teufel persönlich, dem sie sich in die Arme werfen.

Der Teufel des deutschen Fernsehens, in seiner attraktivsten und abgründigsten Ausprägung, ist natürlich Mathieu Carrière. Als groteske Silberhaarversion von Thomas Gottschalk, Sektenchef und Vater unzähliger Kinder ihm höriger Frauen sitzt er „Wie eine Spinne im Netz“. Mit stierem Blick bringt er Vera (Simone Thomalla) dazu, ihren Mann (Dieter Kirchlechner) zu verlassen, mit ihm (sicherlich perverse) Spielchen zu treiben und sich dann mitsamt Sektensprößling Oliver wieder in seine Obhut zu begeben.

In Sekten geht es seltsam zu. Einerseits haben Sekten bereits unser gesamtes Wirtschaftssystem unterwandert. Andererseits bekommen die Menschen dort Namen, die gar nicht ihre richtigen sind, und mit ihrer Familie dürfen sie auch nicht mehr telefonieren. Dafür verbringen sie den ganzen Tag in einer Villa, singen „Ommm“ und warten auf Anweisungen ihres Meisters. Wenn jemand kommt, um etwas über dieses schäbige Treiben herauszufinden, wird diese Person natürlich umgebracht. Und wenn die Polizei kommt, verrammeln sie die Sektenvilla und bringen sich um. So sind sie, die Sekten. Irgend jemand muß diesem Wahnsinn ein Ende bereiten.

Eine Journalistin vielleicht? Die sind nämlich gegen Sekten gefeit. Julia (Anja Schiller) zum Beispiel. Sie hat eine eigene Radiosendung und ist immer an einer neuen Story interessiert. Also schleicht sie sich nach Veras Verschwinden todesmutig in die Höhle des Teufels, tut recht harmlos, durchwühlt aber Schreibtische, findet verdächtige Geburtsurkunden und telefoniert frevelhaft mit ihrem Mobiltelefon in die Außenwelt. Da wird der Teufel aber böse sein.

„Wie eine Spinne im Netz“ ist ein Selbstbedienungsladen für preisgünstige Klischees: Hier die Guten, dort der Böse, und der Rest sind arme verführte Kreaturen. Die wirklich interessanten Fragen spart der Film leider aus. Wie kommt jemand dazu, sein Leben aufzugeben und sich einem offenkundig Irren anzuschließen? Warum sind „Die Kinder des Lichts“ nicht nur psychokultisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich? Ist es wirklich so einfach, eine gefährliche Weltanschauungsbewegung zu unterlaufen und auffliegen zu lassen? Und, verdammt noch mal, was hat Mathieu Carrière, was wir anderen Männer nicht haben? Ist es gar seine lächerliche Schlager-Frisur?

Es bleiben uns wohl nur zwei vernünftige Möglichkeiten, mit „Wie eine Spinne im Netz“ umzugehen. Einerseits könnten wir den Film als Blödsinn abtun und auf keinen Fall einschalten. Andererseits wäre es möglicherweise reizvoller, ihn ganz genau zu betrachten, morgen gleich zum Friseur zu gehen, im Büro nur noch „Omm“ zu rufen und darauf zu warten, bis sich uns die Frauen im Fahrstuhl zu (sicherlich perversen) Spielchen hingeben. Vielleicht klappt's ja. Mal sehen. Stefan Kuzmany