Kleine Brötchen gegen Wikinger

Hamburg und Kiel wollen an der Ostsee kooperieren, um von Dänemark und Schweden nicht untergebuttert zu werden  ■ Von Sven-Michael Veit

Von einem „Nordstaat“ wollen zwar beide nichts wissen, doch ein bißchen kooperieren möchten sie schon. Die SPD-RegierungschefInnen von Schleswig-Holstein und Hamburg, Heide Simonis und Ortwin Runde, demonstrieren rot-grüne Zusammengehörigkeit. Beide verabredeten gestern in Kiel ein verstärktes gemeinsames Vorgehen in der Ostseeregion.

Eine Fusion der beiden Bundesländer zu einem Nordstaat, die jüngst der Kieler Wirtschafts- und Verkehrsminister Peer Steinbrück (ebenfalls SPD) zur „mittelfristigen Option“ erklärt hatte, stehe aber nicht zur Debatte. Das sei „nicht der geeignete Zeitpunkt“, meinte Runde, und außerdem würde „sich das unter dem Aspekt des Länderfinanzausgleichs nicht rechnen“. Da bekanntlich ohne Moos nichts los ist, nickte die ehemalige Finanzministerin Simonis beifällig zu den Worten des früheren Finanzsenators Runde.

Ansonsten aber wolle man gerne zusammen was unternehmen. Bis zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung der beiden Regierungen am 20. November sollen ein paar konkrete Projekte entwickelt werden. Zunächst aber werde geprüft. Von einem Entwicklungsgutachten „Südliche Ostsee“ erhoffe man sich Hinweise dafür, wie die beiden Bundesländer sich gegen Dänemark und Schweden halbwegs behaupten können. Denn was die skandinavischen Nachbarn zur Zeit so treiben, sorgt vor allem in Kiel für besorgte Mienen.

Die beiden Staaten investieren innerhalb weniger Jahre locker 40 Milliarden Mark in eine vereinigte Wirtschaftsregion. Die innerdänische Belt-Querung ist bereits seit drei Wochen in Betrieb, ein Auto- und Bahntunnel zwischen Dänemark und Schweden wird in sechs Jahren folgen. Kopenhagen und die schwedische Doppelstadt Malmö-Lund werden zur Zeit zum drittgrößten europäischen Hochschulstandort mit 14 Universitäten sowie zu einem Ballungsraum für Pharma-, Hightech- und Telekommunikations-Konzerne ausgebaut. Nach seiner Erweiterung wird der Kopenhagener Airport mit einer Kapazität von 20 Millionen Passagieren pro Jahr Hamburg-Fuhlsbüttel (acht Millionen) zum Provinzflughafen degradieren.

Simonis und Runde wollen dem skandinavischen Gigantomanismus kleine Brötchen entgegensetzen. Das regionale Entwicklungskonzept für das Hamburger Umland soll fortgeschrieben werden, für dessen wichtigstes Element aber fehlt das Geld: Die von Schleswig-Holstein gewünschte S-Bahnanbindung des Flughafens Fuhlsbüttel will die rot-grüne Koalition in der Hansestadt nicht vor dem Jahr 2001 anpacken.

Unterzeichnet wurde dafür ein gemeinsamer Beteiligungsfonds für junge Technologieunternehmen, der Kapital für die Gründung „innovativer Firmen“ bereitstellen soll. Mit satten 100 Millionen Mark soll so der Wirtschaftsoffensive der Wikinger begegnet werden.