Geniales Inferno

■ Der wahre Untergang der Titanic: Ab Donnerstag in Bremen

Recht hatten sie, die Techniker der Jahrhundertwende: Die Titanic ist unsinkbar. Auf wundersame Weise widersetzt sie sich der Erdanziehungskraft und taucht, abgestoßen von den Wänden der Meere, immer wieder an der Oberfläche auf. Dabei schien das Ersaufen von Leonardo DiCaprio so endgültig, so unübertrefflich. Doch nun, anno eins nach Cameron, wo die Taschentücher gerade getrocknet sind, sehen sich die BremerInnen beim diesjährigen, vom 9. bis zum 11. Juli brandenden „Feuer Fluten Festival“, mit einer womöglich noch stärkeren Inszenierung vom Untergang des Stahlkolosses konfrontiert.

Bestechend schlicht wie der Name des Stückes „Titanic“ ist auch der Name des Ensembles „Titanick“. In krassem Gegensatz dazu jedoch der Wirbel, den die ausgerechnet im ostwestfälischen Münster beheimatete Combo aus SchauspielerInnen und TechnikerInnen weltweit mit ihren Aufführungen hervorruft. Soeben zurück aus Australien, England und Lissabon, wo sie die Titanic bei der EXPO darniedergehen ließen, werden sie überflutet von Theaterpreisen und medialen Nachrufen der Superlative.

Umso glücklicher schätzt sich der Bremer Verein „Quartier“ e. V., der „Titanick“ im Auftrag von Radio Bremen und der Stadt Bremen für das Feuerfluten Festival verdingen konnte. Als location wurde das Haven-Höövt-Gelände gegenüber dem Bahnhof Bremen-Vegesack ausgewählt, das die Gruppe für drei Abende in einen himmlisch düsteren Ort verwandelt, an dem Werden und Vergehen unmittelbar aufeinanderprallen.

Während die ZuschauerInnen direkt am Rande des Geschehens sitzen, entwickelt sich in ihrer Mitte eine Szenerie, die einem Film von Sergej Eisenstein entnommen zu sein scheint: In Kesseln brennen lodernde Feuer, schwere Eisenhämmer schmieden den Stahl für den Untergang. Unter stiebenden Funken werden Metallteile zu einem riesigen dampferähnlichen Gebilde verschweißt. Doch schon staksen schemenhaft absurde Gestalten durch die explosive Kulisse. Ein humpelnder Glöckner, pardon, Maschinist, heizt der Höllenglut entgegen, der Koch brät einen Ochsen am Spieß, auf dem Oberdeck wartet eine Lady im Rüschenkleid ungeduldig auf das Losmachen des löchrigen Luxusliners, über den ein Kapitän, unschuldig verhakt zwischen Kleinmut und Größenwahn, das Kommando hat.

Nachdem die Titanic mit einem Eisbrocken getauft wurde, legt sie, begleitet von den den Klängen des Salonorchesters, ab. Ein furioser Wechsel der Elemente vom Feuer zum Wasser beginnt. Mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks und der versammelten Feuerwehr von Vegesack werden der Titanic brodelnde Wassermassen unter den Kiel gepumpt, die das Schiff bald schlingern lassen wie auf hoher See. Auf dem Oberdeck wird derweil schräg gewalzert, die Dekadenz hat ihren Stapellauf bestanden. Immer enger kreist sie zum stampfenden Selbstlauf der Maschinen, bis die nicht mehr aufzuhaltende Katastrophe keinen Unterschied mehr macht zwischen Oben und Unten.

Daß Feuer und Wasser sich das Schiff mit 1.500 Passagieren schließlich holen, ist gemeinhin bekannt. Daß die Inszenierung dieser Katastrophe mit nur zehn DarstellerInnen möglich ist, klingt absurd. Doch das 1990 gegründete Ensemble „Titanick“, das KünstlerInnen aus Holland, Australien, Irland und Deutschland vereint, begegnet diesem Phänomen mit den Mitteln einer grotesk-satirischen Show, mit einem gigantischen Spektakel. Nehmen Sie Platz, wir sinken! dah

Vorstellungen am 9., 10. und 11. Juli, Einlaß 19 Uhr. Kartenservice unter Tel.: 35 36 37