Die CDU sucht den Draht zur Jugend

Der Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt, die Rechtslastigkeit unter Auszubildenden und die Politikverdrossenheit – die CDU berät jetzt Konsequenzen. Junge Union provoziert mit einem Strauß bunter Forderungen  ■ Von Barbara Junge

Die Union hat die Signale vernommen. Und sie beginnt nun auch Lösungen zu suchen. Als gestern abend der Landesausschuß der CDU – der kleine Parteitag zwischen den eigentlichen Parteitagen – zusammenkam, stand ein Thema im Mittelpunkt der Beratungen: die Politikverdrossenheit und die rechtsextremistischen Tendenzen unter Jugendlichen. „Der Ausgangspunkt für diese Diskussion waren die Wahlen in Sachsen-Anhalt, daß junge Wähler erschreckenderweise in Scharen zur rechtsradikalen DVU gewandert sind“, betont CDU-Geschäftsführer Matthias Wambach; „als dann eine Studie noch ähnliche Ergebnisse für Berlin ergeben hat, haben wir den Schwerpunkt Jugendpolitk beschlossen.“

Über 20 Prozent der Ostberliner Lehrlinge wollen bei der nächsten Wahl rechtsextremistische Parteien wählen, immer noch 10 Prozent der Auszubildenden im Westteil der Stadt geben an, ihr Kreuzchen bevorzugt bei DVU, NPD oder „Republikanern“ machen zu wollen. Das hat die erwähnte Studie über Wahlverhalten und Lebensstile Berliner Jugendlicher, die im Mai vorgelegt wurde, ergeben. Ohnehin fällt es gerade den beiden Volksparteien SPD und CDU schwer, junge Leute für sich zu begeistern. Vier Monate vor der Bundestagswahl und ein Jahr vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus hat die Studie den Parteien einen gelinden Schrecken verpaßt.

Die Jugend selbst hat sich in der CDU nun mit einer Provokation zu Wort gemeldet. Mit „sechs Thesen gegen die Verkalkung der Berliner Politik, für mehr Verantwortung und Chancen, für eine offene Gesellschaft in einer offenen Stadt, für die CDU als Bürgerpartei“ hat die Junge Union bereits im Vorfeld für Unruhe in der CDU gesorgt. „Es gab heute früh schon böse Anrufe“, berichtete gestern Thorsten Reschke, der Landesvorsitzende der JU.

Ein buntes Sammelsurium ist es, was sich die Junge Union zur Erhöhung der politischen Attraktivität der CDU da alles ausgedacht hat. So fordert die CDU-Jugend etwa eine noch radikalere Privatisierungspolitik und die Reduzierung der Neuverschuldung des Landes auf Null innerhalb von zehn Jahren. Unter einer attraktiveren Politik versteht die JU dabei die Vorfahrt für Kultur ebenso wie ein Semesterticket für Studenten und einen Berlin-Paß, der „ärmeren Mitbürgern sozial gestaffelte Vergünstigungen einräumt“.

Auch Veränderungen in der eigenen Partei sollen Politik wieder interessanter machen: Die Parteistrukturen sollten durchlässiger werden, die Direktwahl des Vorsitzenden wird ebenso angeregt wie eine Abschaffung sämtlicher Quoten, auch des gerade eingeführten Frauenquorums.

Unter dem Titel „Wir wollen Ausländer!“ fordert die JU: „Statt für ausländische Billigarbeitskräfte und potentielle Sozialhilfeempfänger muß Berlin für ,echte‘ ausländische Studenten, Akademiker, Manager und Diplomaten attraktiv sein.“ Rechtsradikalen Tendenzen will die Parteijugend beispielsweise ein hartes Vorgehen gegen ausländerfeindliche Tendenzen und ein offenes Klima in der Stadt entgegensetzen.

„Die Thesen der Jungen Union sind sicher nicht die einzige Antwort auf diese Problematik“, formulierte gestern CDU-Geschäftsführer Wambach diplomatisch die Kritik am politischen Nachwuchs. CDU-Generalsekretär Volker Liepelt erteilte einigen Vorschlägen bereits eine klare Absage. Die geforderte „schwarze Liste“ für nicht ausbildende Betriebe hält er für ebenso absurd wie die Abschaffung der Frauenquote. „Diese Thesen sind ja auch in der Jungen Union nicht konsensfähig“, so Liepelt. Deshalb hat der Landesvorstand auch ein eigenes Papier vorgelegt. Tenor: „Gegen Gleichgültigkeit und radikale Verführer von rechts und links“. In den Mittelpunkt stellt die Union dabei allerdings die wirtschaftliche Perspektive der Stadt, die Innere Sicherheit und die Förderung von Bildungsprogrammen.