Eine palästinensische Erfolgsstory

Mohammed Abu Helweh ist der erste Rückkehrer aus Deutschland, der mit Hilfe der Deutschen Ausgleichsbank ein Geschäft eröffnet hat. Wer sich bewirbt, muß einen detaillierten Finanzierungsplan vorlegen  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Sein Meisterbrief liegt noch verpackt in einer blauen Papprolle auf dem kleinen grünlackierten Schreibtisch in dem neu eröffneten Optikerladen. „Mohammed fällt es schwer, sich gut zu verkaufen“, sagt Diet Kunten, eine holländische Erzieherin aus dem Kinderheim in Azzariyah bei Jerusalem. Sie kennt den mittlerweile 33jährigen Mohammed seit seinem dritten Lebensjahr, als er ins Kinderheim gebracht wurde. „Er kommt nur langsam in Schwung“, sagt sie, „aber was er macht, das hat Hand und Fuß.“ Den Meisterbrief sollte er aber unbedingt gut sichtbar im Geschäft aufhängen, rät Diet Kunten. „Das ist sehr wichtig für die palästinensische Kundschaft.“

„Optik Abu Helweh“ ist auf einem mehrfarbigen Metallschild an der Hauptstraße von Azzariyah in Arabisch und Englisch zu lesen. Mohammed Abu Helweh, der zwischenzeitlich in der Bundesrepublik lebte, ist der erste palästinensische Rückkehrer aus Deutschland, der mit Förderung der Deutschen Ausgleichsbank ein eigenes Unternehmen in den palästinensischen Gebieten eröffnet hat. „Ich bin schon sehr stolz und auch ziemlich erleichtert, daß es geklappt hat“, sagt er. Sogar der palästinensische Finanzminister ist zu diesem feierlichen Anlaß erschienen. Der Vertreter der Deutschen Ausgleichsbank, Bernd Leidner, überreicht Mohammed zur Eröffnung eine große grüne Geldkassette, in der ein paar Geldstücke klimpern. Und der Minister zerschneidet das breite rote Seidenband, das die Kassette ziert. „Auf daß die Kasse klingeln möge“, sagt Leidner. Und das muß sie auch, wenn Mohammed nicht bald wieder pleite gehen soll.

35.000 Dollar hat er als Kredit bei der Arab Bank aufgenommen. Für 60 Prozent dieser Summe hat die Deutsche Ausgleichsbank eine Bürgschaft bei der arabischen Bank hinterlegt, für die Mohammed einen Zinssatz von jährlich zwei Prozent zahlen muß. Die restlichen 40 Prozent des Kredits aber mußte er zum marktüblichen Zinssatz von derzeit rund neun Prozent aufnehmen. Auf knapp 3.000 Schekel, umgerechnet 1.500 Mark, schätzt Mohammed seine monatliche Geschäftsbelastung, denn zu den Zinsen kommt noch die Miete für den Laden hinzu.

Das „Deutsch-palästinensische Existenzgründungsprogramm“, das im Juli 1996 zwischen der Bundesregierung und der Autonomiebehörde vereinbart wurde und im Mai letzten Jahres startete, vergibt die zinsgünstige Bürgschaft nicht leichtfertig. Wer sich bewirbt, muß einen detaillierten Investitions- und Finanzierungsplan vorlegen, einschließlich einer Vorausschau über erwarteten Umsatz und Gewinn. Zudem muß jeder Unternehmensgründer mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten des Vorhabens selbst aufbringen.

„Es kommen viele, die glauben, die schnelle Mark machen zu können oder zinsgünstige Kredite zu erhalten“, sagt Leidner. „Aber die sehen wir meist nur einmal.“ Fest sei derzeit nur eine weitere Existenzgründung mit bewilligten Krediten. 20 bis 30 andere befänden sich noch in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Zu den Antragstellern gehörten vor allem Akademiker, Ingenieure, Mediziner, Architekten, aber auch Handwerker wie Goldschmiede, Schreiner und Metaller. Das Projekt ist zeitlich nicht begrenzt, doch soll die fachlich kaufmännische Beratung der Existenzgründer in zwei Jahren in palästinensische Hände gelegt werden. An der Bir-Zeit-Universität bei Ramallah bereitet Dr. Haifa Baramki, die der Geschäftseröffnung ebenfalls beiwohnt, derzeit ein entsprechendes Programm vor.

Finanzminister Nashashibi gibt sich jovial. „Früher hatte ich eine Brille, aber jetzt brauche ich keine mehr“, sagt er. „Aber ich werde meine Frau und meine Tochter hierhin schicken, wenn sie eine neue Brille brauchen“, verspricht er. Die Auswahl an Brillen kann sich für hiesige Verhältnisse sehen lassen. Sie dürfte auch ministeriellen Ansprüchen genügen. Fein säuberlich sind die Modelle auf einfachen Metallgestellen an den Wänden aufgereiht. Jedes Glas ist von Hand geputzt. Auch Decken und Wände strahlen in frischem Weiß. Im Hintergrund verheißt eine Reklametafel von Hollywood Ochrials: „Change the way of life“.

Über dem Eingang zum separaten Laborraum, in dem die Geräte zur Überprüfung der Augen stehen, prangt ein anatomisches Diagramm des menschlichen Auges. Zwei große Spiegel mit grünem Holzrand, entsprechend den beiden kleinen Schreibtischen, geben jedem Kunden die Möglichkeit, die Wirkung der neuen Brille auf seine gesamte Erscheinung hin sorgfältig zu überprüfen.

Seinen Gesellenbrief hat Mohammed 1992 bei „Optik Oberländer“ in Köln erworben. Der Firmenchef, damals Vorsitzender der Handwerkskammer, hat es ihm ermöglicht, sofort im Anschluß die Abendschule für den Meisterbrief zu besuchen, ohne die vorgeschriebene dreijährige Praxis. Die hätte Mohammed auch nicht durchgestanden, denn die nordrhein-westfälischen Behörden drohten ihm mit Abschiebung. Nach einem Prozeß, der sich über zweieinhalb Jahre hinzog, wurde die gütliche Übereinkunft getroffen, daß Mohammed seine Meisterprüfung in Köln zu Ende bringen konnte. 1996 ist er nach Palästina zurückgekehrt.

Ohne Job und Einkommen wohnte er erst einmal wieder im Kinderheim, erzählt Diet Kunten. „Es hat gedauert, bis er seinen Weg gefunden hat“, so Diet Kunten. Vor vier Wochen hat Mohammed geheiratet und eine Wohnung in Azzariyah bezogen. Er gibt sich rundum optimistisch. „Ich hoffe, schon in drei Jahren den Kredit abzahlen zu können“, sagt er. Seine Preise liegen knapp 20 Prozent unter den israelischen und im ersten Monat gibt er seinen Kunden zudem noch einen „Eröffnungsrabatt“ von 15 Prozent.

Auch der Vertreter der Ausgleichsbank ist vom Erfolg überzeugt. „Mohammed hat sehr viel Eigeninitiative gezeigt und ist an uns herangetreten, noch bevor wir überhaupt ein Büro in Ramallah bezogen hatten“, sagt Leidner. Erfahren hatte Mohammed von dem Existenzgründerprogramm in der Deutschen Vertretung in Jericho, wo er seinen Meisterbrief beglaubigen lassen mußte.

Besonders stolz ist an diesem Tag auch Mustafa Fawwaz, der gemeinsam mit Mohammed im Kinderheim in Azzariyah aufgewachsen ist. Der Koch aus dem österreichischen Hospiz in der Altstadt von Jerusalem spricht perfekt Deutsch. „Heute ist mein 27. Geburtstag“, sagt er, „und ich freue mich besonders, daß Mohammeds Geschäft an diesem Tag eröffnet wurde.“