Angela Merkel weist nicht mehr weiter

Bundesumweltministerin verzichtet auf neue Weisungen an Hannover zur Genehmigung von Schacht Konrad. Damit ruht das Verfahren bis zur Bundestagswahl – das Schicksal des Atomendlagers ist wieder offen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Der Ausgang des Genehmigungsverfahrens für das Atommüllendlager Schacht Konrad ist wieder offen. Das Bundesumweltministerium, das seit Jahren – unter anderem mit sieben bundesaufsichtlichen Weisungen – auf eine Genehmigung des Endlagers durch Niedersachsen gedrängt hat, glaubt nicht mehr an einen Planfeststellungsbeschluß vor den Bundestagswahlen. „Ich rechne nicht damit, daß das Endlager Schacht Konrad noch vor den Bundestagswahlen genehmigt wird“, sagte die Sprecherin des Bonner Umweltministeriums, Getrud Sahler, gestern der taz. Ursprünglich wollte Merkel die Genehmigung schon vor der Niedersachsenwahl durchgezogen haben, dann vor der Bundestagswahl. Nun kam der Atomskandal endgültig dazwischen.

Nur wenn die Niedersachsen sich eines Besseren besännen, wovon kaum auszugehen sei, könne das Endlager noch vor der Wahlen genehmigt werden. Das niedersächsische Umweltministerium sah gestern natürlich „keinerlei Veranlassung, von den vielen guten Argumenten gegen Schacht Konrad abzurücken“. Nur ein Sieg von Helmut Kohl im September könnte damit das Endlagerprojekt vor dem Ende bewahren.

Der Konrad-Planfeststellungsbeschluß, mit dem das seit 22 Jahren laufende Endlagerprojekt den staatlichen Segen bekommen soll, liegt seit langem beinahe unterschriftsreif im niedersächsischen Umweltministerium. In dem über 1.000 Seiten umfassenden Werk fehlen nur noch die entscheidenden Sätze, die das positive Gesamturteil über das Endlager enthalten müßten. Ende Mai hatte Niedersachsens Umweltminister Wolfgang Jüttner überraschend die Arbeiten an dem Planfeststellungsbeschluß unterbrochen.

Auf dem Hintergrund des Atomtransportskandals verlangte Jüttner in einem Schreiben an Bundesumweltministerin Angela Merkel, zunächst die Ursachen der Kontaminationen an Atommüllbehältern detailliert zu klären. Jüttner konnte darauf verweisen, daß in dem Konrad-Genehmigungsverfahren die Risiken der Transporte in das Endlager nicht berücksichtigt wurden. Denn eine solche Bewertung der Transportrisiken hatte das Bundesumweltministerium 1992 per Weisung untersagt. Die Kontaminationen an Atommüllbehältern hätten jedoch gezeigt, daß die für Transporte geltenden Regeln Risiken nicht vermeiden könnten, begründete Jüttner die Unterbrechung.

Das Bundesumweltministerium lud daraufhin zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch über das Genehmigungsverfahren nach Bonn ein und bereitet die achte bundesaufsichtliche Weisung in Sachen Schacht-Konrad vor. „Im Entwurf war diese Weisung bereits fertig“, sagte gestern die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums. Im Bonner Umweltministerium will man allerdings von dieser Weisung inzwischen nichts mehr wissen. Mit einer erneuten Weisung zu Schacht Konrad sei weder das Bundeskabinett befaßt gewesen, noch habe es einen Entwurf einer solchen Weisung gegeben, sagte gestern Gertrud Sahler.

Auch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht mit der Begründung, Niedersachsen habe mit der Unterbrechung des Verfahrens gegen alte, weiter gültige Weisungen verstoßen, werde gegenwärtig nicht vorbereitet, versicherte Merkels Sprecherin.