SPD gegen „Mehmet“

Nach neuer Gewalttat des jetzt strafmündigen Jugendlichen fordert auch der Münchner OB Ude seine Ausweisung  ■ Von Stefan Kuzmany

München (taz) – Nach langem Schweigen fordern jetzt auch der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und die SPD- Stadtratsfraktion eine Ausweisung des gewalttätigen Jugendlichen „Mehmet“ und seiner Eltern.

Im Kreisverwaltungsausschuß nahm Ude gestern erstmals öffentlich Stellung zu dem in München seit Monaten stark diskutierten Fall. „Mehmet“, gerade 14 Jahre alt gewordenes Kind türkischer Gastarbeiter, hatte sich durch über 60 Gewalttaten und Diebstähle ins Zentrum einer vom Wahlkampf geprägten politischen Auseinandersetzung gerückt: Wie soll der Staat mit kriminellen Jugendlichen ausländischer Herkunft umgehen?

Wortreich begründete Ude seine Position in einer fünfseitigen Rede. Es war ihm selbst offenbar nicht ganz wohl dabei, jetzt auf die Linie seines scheidenden Kreisverwaltungsreferenten und Intimfeindes Hans-Peter Uhl (CSU) einzuschwenken. Dieser hatte mit einer rechtlich fragwürdigen Interpretation des Ausländerrechts den Ausweisungsbescheid für die unbescholtenen Eltern und ihren Sohn veranlaßt: Weil sie ihren „Mehmet“ nicht unter Kontrolle hätten, gefährdeten sie die öffentliche Sicherheit. Kritiker warfen Uhl, der gerne in den Bundestag einziehen würde, Wahlkampfpropaganda zu Lasten eines Kindes vor.

Nun ist „Mehmet“ strafmündig und trotz intensiver Betreuung durch das Jugendamt abermals straffällig geworden: Gemeinsam mit zwei Komplizen beraubte und verletzte er in der Nacht zum vorigen Samstag einen 19jährigen Mann. „Die Front seiner Verteidiger bröckelt“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Entgegen ihrer Darstellung halten jedoch die Grünen im Münchener Rathaus, Koalitionspartner Udes, noch an ihrer Ablehnung der Abschiebung fest. Fraktionschef Siegfried Benker: „Es ist eine Schande, daß die Stadt München einen derartigen Bescheid herausgibt, mit dem Uhl bundesweit Wahlkampf machen kann.“ Abschiebung sei kein Mittel gegen Jugendkriminalität, sondern nur eine Scheinlösung.

Derweil bemühte sich Ude um eine Abgrenzung zur Position seines politischen Gegners: Die Jugendkriminalität sei weder ein reines Münchner Problem noch auf ausländische Jugendliche beschränkt. Die Anwendung des Ausländerrechts sei die Ultima ratio, ihre Überprüfung obliege dem Verwaltungsgericht. Unter dem Druck der Öffentlichkeit will auch Ude keine Milde mehr walten lassen und denkt, ganz im Sinne der CSU, vor allem an die „potentiellen Opfer“ gewalttätiger Kinder: „Da Serientäter Leib und Leben bedrohen, hält diese Überlegung auch einer an den Grundrechten orientierten Abwägung stand.“ Den Jugendlichen „Mehmet“, der trotz tränenreicher Versprechungen rückfällig geworden ist, hat Ude aufgegeben: „Ich befürworte die Ausweisung dieses jugendlichen Serientäters, weil alle Versuche der Erziehung und Besserung bis hin zur intensiven Einzelbetreuung offenkundig versagt haben und eine positive Sozialprognose nicht gestellt werden kann.“ Ude hat mit dieser populären Äußerung allemal gewonnen – wäscht seine Hände jedoch in Unschuld: Würde die Ausweisung gerichtlich bestätigt, hätte die Stadt eine rechtliche Grundlage, um „Opfer wenigstens in Teilbereichen“ zu schützen. Sollten die Gerichte die Bescheide aufheben, dann stünde fest, daß „die spektakulär inszenierte Vorgehensweise rechtswidrig war und die Regierung von Oberbayern die Landeshauptstadt zu rechtswidrigem Vorgehen angehalten hat.“