Meine Vergangenheit ist fühlbar

Mit dem Pop-Appeal von Keb' Mo' und dem expressiven Chicago-Blues von Buddy Guy zeigt der Blues am Ende des Jahrhunderts erstaunlich viele Gesichter  ■ Von Jörg Feyer

Bedenkt man, daß er von manchen schon totgesagt, von vielen zumindest belächelt wird, zeigt der Blues an der Schwelle zum 21. Jahrhundert noch erstaunlich viele Gesichter. Manchmal ist er ziemlich alt, irgendwie gemütlich und längst jenseits von gut und böse. Dann heißt er B.B. King. Oder er ist sehr jung, sehr weiß, sehr rockig und sehr erfolgreich. Dann heißt er Johnny Lang und Kenny Wayne Shepherd. Oder er steckt in den besten Jahren (so sagt man), ist schwarz und hat mehr Pop-Appeal als die Blues-Polizei erlauben mag. Dann heißt er Keb' Mo'.

Kevin Moore, so heißt der Mann mit vollem Namen, hat mit seinem letzten Album Just Like You sogar den Sprung in die deutschen Charts geschafft. Zu glatt, zu gefällig, monierten prompt die puristischen Museumswächter. Man kann es natürlich auch anders sehen: Aufgesetztes Authentizitätsgehabe ist dem in New Orleans residierenden Mitt-40er aus Los Angeles angenehm fremd.

Es paßt schön ins Bild, daß Moore – bevor die Plattenkarriere richtig in Schwung kam – unter anderem als Theater-Darsteller eines Delta-Bluesers reüssierte. Und wenn er jetzt in einem Titel seines kommenden Albums den alten Mississippi- Henry besingt, der noch einmal seine Steel-Gitarre spielt („I can see my future, and I can feel my past“), verschickt er eine hübsche Postkarte aus Musik. Nicht mehr, aber gewiß nicht weniger. Auch steht nirgendwo geschrieben, daß Blues-Stars nicht über Entertainerqualitäten verfügen bzw. nicht sexy sein dürfen. Robert Johnson soll ja auch kein Klosterschüler gewesen sein. Und wer wollte Keb' Mo' ernsthaft vorwerfen, daß ein Songwriter wie Jackson Browne (der auf Just Like You gastierte) für seine musikalische Sozialisation vielleicht wichtiger war als sämtliche Blueslegenden?

Buddy Guy tut das gewiß nicht. Mit fast 62 Jahren hört das in Louisiana gebürtige Aushängeschild des Chicago-Blues die Uhr immer lauter ticken, zumal zuletzt immer mehr Kollegen seiner Generation schon auf Wolke sieben Platz nehmen mußten – etwa Luther Allison, Johnny Copeland, Jimmy Witherspoon.

Also hat sich Guy, bevor es zu spät ist und nach vierjähriger Plattenpause, noch einmal zu einem veritablen Album aufgerafft: Heavy Love erweist u.a. Louis Jordan („Saturday Night Fish Fry“) und Tony Joe White (mit einem exquisiten „Did Somebody Make A Fool Out Of You“) Reverenz und dokumentiert noch einmal hinreichend, warum er mit seinem ebenso expressiven wie dramaturgisch geschliffenen Stil zu den einflußreichsten Bluesern überhaupt gehört. Und wenn Jungspund Johnny Lang als Gast partout Profil beweisen will, steht Buddy Guy einfach cool in der Kulisse. So macht man das. Do, 9. Juli, 18.30 Uhr, Freilichtbühne im Stadtpark