Totenstille am nassen Strand

■ Stapel von Sonnencréme und Mangel an Urlaubern: In den Bädern an Nord- und Ostsee geht die Angst vor einem Katastrophen-Sommer um

„Gehen Sie mal an den Strand – das ist ein Trauerspiel“, sagt Norbert Stöter. Der Strandkorbvermieter im Ostseebad Travemünde sitzt wie seine Kollegen an der Nordseeküste derzeit vor leeren Strandkörben. Kaum jemand mag sich bei Temperaturen um zwölf Grad, wolkenverhangenem Himmel und Nieselregen in die gestreiften Sonnenplätze setzen. „Drei Körbe hab' ich heute vermietet“, sagt er, „normalerweise müßte um diese Jahreszeit eine Warteschlange vor der Holzbude am Strand stehen.“

Leere Promenaden und kaum gefüllte Parkplätze – die Ost- und Nordseebäder in Schleswig-Holstein leiden unter den miserablen Wetterbedingungen. „Die Tagesgäste bleiben einfach weg, das macht sich stark bemerkbar“, sagt Timmendorfs Kurdirektor Volker Popp. Auch sein Travemünder Kollege Uwe Kirchhoff beklagt, daß „das Strandgeschäft gleich null ist“. Gut besucht sind hingegen vor allem überdachte Einrichtungen wie Aquarien, Schwimmbäder oder Konzerte.

Sonnencréme gibt es im Strandladen von Deutschlands zweitältestem Ostseebad Boltenhagen in Mecklenburg-Vorpommern derzeit in allen Größen und Sorten – Regenschirme sind dafür ausverkauft. „Ach was, so schlecht ist das Wetter gar nicht“, winkt die Verkäuferin ab. „Wer zu uns kommt, hat ohnehin den Ostfriesennerz im Gepäck.“ Ostseeurlauber rechneten damit, daß auch mal der Wind pfeife und ein paar Tropfen fielen.

An der Nordseeküste mangelt es vor allem an Kurzzeitgästen: „Totenstille am Strand“, lautet die Bilanz von Bernd Paulsen, Kurdirektor im St. Peter-Ording. „Uns fehlen die Gäste aus dem Großraum Hamburg.“ In dem Nordseeheilbad auf der Halbinsel Eiderstedt machen die Tagestouristen das Gros der Gäste aus, rund eine halbe Million sind es jedes Jahr. Dagegen kommen nur etwa 170.000 Dauerurlauber. Und die kommen bisher wie angekündigt, sagt Paulsen; Stornierungen gebe es nicht.

Auf Sylt könne ebenfalls von Stornierungen keine Rede sein, dagegen sehr wohl von einem Ausbleiben der spontan reisenden Tages- und Wochenendbesucher, seufzt der Geschäftsführer der Bädergemeinschaft Sylt, Norbert Tödter. Statt des Strandaufenthaltes nutzten die Urlauber verstärkt Freizeit- und kulturelle Angebote.

„Jetzt fangen in Berlin und Hamburg die Ferien an, hoffentlich wird es dann besser“, beschwört Kirchhoff die Trendwende. 1997 sei die Saison ähnlich katastrophal angelaufen – erst zur traditionellen Travemünder Woche Mitte Juli stellten sich der Sommer und mit ihm die Urlaubermassen ein. „Wir wären schon froh, wenn es in diesem Jahr so ähnlich für uns ausgehen würde“, hofft er.

Der Boltenhagener Strandkorbvermieter Konrad Alberts zieht seine Hoffnungen lieber aus dem Erfahrungsschatz der alten Fischer: „Bald ist Mondwechsel, und mit dem ändert sich das Wetter.“

Grit Büttner / Manfred Rüscher / Heike Wells