Bitte keinerlei Widerworte

■ Forsch, selbstbewußt, resolut und stets gut gelaunt: Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) ist heute 100 Tage im Amt

Karin Roth lacht gern und viel. Aber nicht über alles. Widerworte findet sie zum Beispiel überhaupt nicht witzig. Und Gejammer kann die 49jährige SPD-Politikerin schon gar nicht leiden, die heute vor 100 Tagen von der über Filz gestolperten Helgrit Fischer-Menzel die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) übernommen hat. Die MitarbeiterInnen ihrer Mammutbehörde ließ sie wissen: „Ich bin an Lösungen interessiert, nicht an Problemen.“ Mit Klagen über die Schwierigkeiten des Lebens im allgemeinen und der BAGS im besonderen möge man sie bitte nicht behelligen.

So hielt sie es auch, als sie sich gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mit der rebellischen Drogenhelferszene befassen mußte. Im liebevollen Würgegriff der Senatorin gab der Chef des Trägers freiraum, unter anderem Betreiber des Druckraums FixStern im Schanzenviertel, bekannt, daß die aus Protest geschlossene Einrichtung ab sofort wieder geöffnet sei. Als er sich dennoch zu kritischen Anmerkungen zur Drogenpolitik des Senats hinreißen ließ, tätschelte die Senatorin dem Drogenhelfer kumpelhaft den Arm und schnitt seine Rede resolut ab. Frau Roth hat gern das letzte Wort.

Überhaupt kann niemand in ihrer Nähe sicher sein, daß sich die Schwäbin mit der Vorliebe für Maultaschen und roter Grütze nicht plötzlich bei ihrem Nächsten unterhakt oder ihn in die Seite knufft. Hanseatische Zurückhaltung ist ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Angeboren scheint hingegen das unerschütterliche Selbstbewußtsein. Obwohl Roth, die zuletzt Chefin des DGB-Nordmark war, wenig Vorkenntnisse in der Verwaltung mitbrachte, feiert sie ihre Arbeit schon jetzt als Erfolg. „Nach 100 Tagen habe ich mich warmgelaufen.“ Es gebe aber noch „viel Altes aufzumischen und Neues anzuschieben“. Das glaubt man ihr. Auch in einem ihrer großblumigen Sommerkleider sieht sie so aus, als ob sie jeden Augenblick die Ärmel hochkrempeln würde.

Ob der Wille zum Neuanfang in einer Behörde ausreicht, über die die GALierin Anna Bruns nach den Filzvorfällen sagte, sie sei wie „Block III von Tschernobyl, an den kommt man auch nicht ran“, darf man bezweifeln. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß zur Vetternwirtschaft in der BAGS offenbart einmal mehr, wie undurchschaubar die Strukturen und Abläufe sind. Vor allem die Vergabestrukturen von staatlichen Aufträgen müßten gründlich modernisiert werden – schwer für eine Politikerin, die anders als Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) nicht in einer Behörde großgeworden ist.

Der notorisch guten Laune der Karin Roth tut das alles keinen Abbruch. Sie gefällt sich in ihrer neuen Rolle. Der 16-Stunden-Tag, sagt sie, macht ihr nichts aus. Ohnehin ist der Mann ihres Herzens, der Bremer SPD-Chef Detlev Albers, wochentags nicht in Hamburg. Nur das Wochenende verbringen die beiden in der gemeinsamen Wohnung in Hamburg-Uhlenhorst.

Senatorin wollte Roth schon werden, als die rot-grüne Regierung im vorigen November gebildet wurde. Doch Runde wollte sich nicht von Fischer-Menzel verabschieden. Dabei, so Oppositionsführer Ole von Beust (CDU), „habe ich Ihnen gleich gesagt: Trennen Sie sich von den Pfeifen.“

Silke Mertins